Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 439
(PDF, 137 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0439
März 1938, als die Hetzpropaganda des ,,Stürmer" das Klima für die Judenverfolgung
und -Vernichtung vorbereitete, schrieb ein 48jähriger lediger
Landwirt aus Nußbach einen Brief an Julius Streicher, in welchem er
satirisch-kritisch sich mit dem wüsten Antisemitismus von dessen Hetzblatt
auseinandersetzt. Drei Monate, nach dem der Brief in Nürnberg zugestellt
worden war, holte der Gestapowagen den Briefschreiber ab: Wilhelm
Kasper, Bruder des NS-Bürgermeisters Franz Kasper, wird zum Verhör gebracht
. Er äußert darin u. a. folgende Sätze: „Ich nehme die Juden in ihrer
Eigenschaft als deutsche Staatsbürger gegen ungesetzliche und unmoralische
Handlungen oder Worte in Schutz. Vom rein rechtlichen Standpunkt
aus, soweit ein rechtlicher Mensch verpflichtet ist, seinen Nebenmenschen
zu achten und zu ehren, muß ich auch die Juden, weil sie Menschen sind,
in Schutz nehmen. Vom religiösen Standpunkt, nach dem jeder Mensch ein
Geschöpf Gottes ist und nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen ist, muß
ich auch den Juden als Geschöpf Gottes achten und ehren."3 Wer war dieser
bemerkenswerte Mann?4

Kindheit, Jugend, dörfliches Milieu

Wilhelm Kasper wurde am 14. 10. 1890 in Nußbach (Bezirksamt Oberkirch)
geboren. Sein Elternhaus stand in der Kirchstraße (heute: Zusenhofener
Straße). Die Eltern Josef Kasper und Franziska, geb. Vogt stammten aus
Giedensbach (heute Ortsteil von Ödsbach). Der Vater starb schon im Jahr
1900 an einer Rippenfellentzündung. Wilhelm Kasper wuchs zusammen mit
sechs Geschwistern, drei Brüdern und drei Schwestern, auf.5

Nußbach, am Rand des Renchtrichters gelegen, war fast ausschließlich
landwirtschaftlich geprägt. Es gab fast nur Bauern mit kleinem Besitztum,
die ihre gesamte Landwirtschaft mit eigenen Leuten bewirtschafteten.6 Es
war üblich, daß jüngere Geschwister ledig blieben, ein Wöhnrecht im Elternhaus
erhielten und dafür bei der Bewirtschaftung des Hofes mithalfen.
So ist es auch zu erklären, daß Wilhelm Kasper im Haus seines Bruders
wohnte und unverehelicht blieb. Die Nußbacher Kleinbauern lebten überwiegend
vom Wein- und Obstbau, in geringerem Umfang von der Viehzucht
.7 Die Kirschen bildeten die erste und wichtigste Einnahme des
Jahres, in Nußbach wurden 1893 insgesamt 2375 Doppelsester Kirschen zu
je 45 Mark an württembergische und elsässische Händler verkauft. Der Eigenbedarf
an Fleisch, Getreide und Kartoffeln wurde in der Regel aus eigener
Erzeugung gedeckt. Fielen jedoch Weinherbst und Obsternten schlecht
aus, führte dies sofort zu ,,Geldnot"8, die Abgaben konnten nicht mehr bezahlt
und die notwendigen Anschaffungen nicht mehr getätigt werden. So
ist es nur zu verständlich, daß die Lebenshaltung in Nußbach als ,,sehr einfach
"9 geschildert wurde. Die wenigen Dorfhandwerker konnten nur durch
landwirtschaftlichen Nebenerwerb überleben. An gewerblichen Arbeits-

439


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0439