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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 447
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letzt dem Pferd in den Weg und biß ihm in die Beine. Da glaubte dieser
Herr, der Hund sei tollwütig geworden und schoß ihn nieder. Mit der letzten
Kraft lief der verwundete Hund zum Geldbeutel zurück und legte sich dabei
nieder. Plötzlich dachte der Herr an den Geldbeutel, er schaute nach und
bemerkte, daß er ihn verloren hatte. Sofort kehrte er um und fand den toten
Hund beim Geldbeutel. Mit diesem Hund möchte ich mich vergleichen...
Ich bin mir auch der Gefahr bewußt, daß mein Los eines schönen Tages das
des Hundes sein kann."22

Kasper sollte auch, was sein persönliches Schicksal betraf, recht behalten.
1940 schreibt er zum dritten Mal einen Brief — an Adolf Hitler selbst.
Nachdem das Verfahren 1938 glimpflich geendet hatte - Kasper brauchte
die sechsmonatige Gefängnisstrafe wegen der Österreich-Amnestie nicht zu
verbüßen — kommt Kasper sofort in das KZ Schirmeck und bald darauf
nach Dachau. Was in dem Brief an Hitler stand, ist nicht genau bekannt,
da die Akten darüber nicht auffindbar sind. Nach Zeitzeugenangaben beschuldigte
Kasper den „Führer", Deutschland in den Krieg und ins Verderben
getrieben zu haben. Ein SS-Mann bringt ihm anfänglich Lebensmittelpakete
und beruhigt die Angehörigen: ,,Er müsse in Dachau nur Kasernen
auskehren." Niemand hat das geglaubt. Die Wirklichkeit sah anders
aus: ständige Lebensbedrohung, Hunger, Krankheiten, Mißhandlungen,
Entwürdigungen.23 Es gibt heute noch keine Vorstellung davon, was Kasper
wohl in seiner fünfjährigen Leidenszeit durchgemacht hat. Ironie des
Schicksals war, daß er durch den Beschuß seiner Befreier, der Amerikaner
umkam, als er 1945 bei Schanzarbeiten um Heilbronn eingesetzt wurde.

Der Bruder Franz hatte vor, Wilhelm vor Kriegsende aus dem KZ zu holen.
Als die Vorbereitungen zur Abfahrt schon getroffen waren, kam die Nachricht
, daß die Amerikaner schon das Gebiet besetzt hatten. Mit viel Zivilcourage
versteckte Franz Kasper, der nicht zuletzt wegen des Schicksals
seines Bruders immer mehr Abstand zum NS-Regime nahm, einen französischen
Kriegsgefangenen in seinem Haus. Die SS suchte ihn im Dorf, sie
hätte Franz Kasper erschossen, wenn sie ihn bei ihm gefunden hätte.

In Nußbach wurde bislang kaum Wilhelm Kaspers gedacht. Die Nichte hat
einen Grabgedenkstein in ihrem Garten aufgestellt, der die Inschrift trägt:
,,Er starb als Märtyrer in Dachau." Vielfach wurde Kasper als Narr oder
Fanatiker bezeichnet. Wie kann man an Hitler einen Brief schreiben? Ein
Mann wie Kasper könnte in vieler Hinsicht Vorbild sein. Vorbild für eine
staatsbürgerliche Haltung, die das, was politisch entschieden wird, auch als
in der Verantwortung eines jeden einzelnen stehend, betrachtet. Oder wie
es Kurt Huber, Mentor der ,,Weißen Rose", vor seiner Hinrichtung in den
Worten Fichtes formulierte:

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