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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 478
(PDF, 137 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0478
Das Leben normalisiert sich

Nachdem Zug um Zug das tödliche Schicksal der 70 Frauen bekannt wurde,
kehrte im Frühsommer 1940 wieder etwas Normalität in den Korker Alltag
ein. Nach Abschluß des Westfeldzuges zeichnete sich im Juni ab, daß die
nach Stetten evakuierten Bewohner und Mitarbeiter der Heil- und Pflegeanstalt
Kork wieder in die eigenen Räume zurückkehren konnten. Mit Bus und
Bahn wurden die knapp 250 Pfleglinge, Altersheimbewohner und Mitarbeiter
wieder nach Kork gebracht. Am 31. Juli war der Umzug abgeschlossen
."8

Trotz äußerlich geordneter Rahmenbedingungen lief die Tötungsaktion in
Grafeneck weiter. Neben dem Protest aus der Bevölkerung und von Kirchenvertretern
wurde auch die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung
der bis dahin allein auf einer Ermächtigung Hitlers basierenden „wilden
Euthanasie" verstärkt laut. Schon im August 1939 wurde in der Strafrechtskommission
ein Gesetzentwurf diskutiert, der die Tötung auf Verlangen
unheilbar Kranker an eine Legalisierung der Vernichtung lebensunwerten
Lebens koppelte. Diese Verknüpfung war auch handlungsleitend in dem
Film „Ich klage an". Der Gesetzentwurf wurde von Hitler im Oktober abgelehnt
.119

Der Verwaltungsratsvorsitzende Steinmann hatte offensichtlich von diesen
Gesetzesüberlegungen gehört, und er informierte die Anstaltsleitung in
Kork am 4. Oktober 1940 darüber, daß künftig nur noch solche Kranke
weggenommen werden sollen, bei denen „jedes geistige Leben erloschen
ist und die zu keiner Gemeinschaft mehr fähig sind." Diese Information
führte zu einer weiteren kurzfristigen Entspannung der Lage.120

Die Bemühungen, die Zahl möglicher Opfer zu begrenzen, liefen auch an
anderer Stelle weiter. Zum einen lud Direktor Meerwein nach einem weiteren
Gespräch mit Dr. Sprauer die Angehörigen der Pfleglinge ein, um sie
über die mögliche Verlegung der Pfleglinge in andere Anstalten zu informieren
. Etwa 2/3 der Angehörigen folgten dieser Einladung. Doch zum
Befremden Meerweins zeigten sich 60 % (!) der Anwesenden mit der Verlegung
, d.h. Vernichtung, einverstanden.121

Ein anderer Versuch war die Veränderung von Angaben auf Meldebogen
durch Dr. Wiederkehr. Dieser hatte Ende September 1940 bei der Reichsarbeitsgemeinschaft
50 Meldebogen angefordert, da „bei einer Anzahl von
Pfleglingen eine wesentliche Besserung ihres Zustandes und ihrer Arbeitsfähigkeit
eingetreten ist."122 Die Reichsarbeitsgemeinschaft entsprach dieser
Bitte nicht, zumal die Zeit bis zum 2. Transport am 23. Oktober 1940
ohnehin nicht ausgereicht hätte. Die handschriftlichen „Nachbesserungen",
die — vielleicht als Entwurf — auf der Durchschrift der Meldebogen verzeichnet
sind, beziehen sich fast durchgängig auf eine „Nachbesserung"
hinsichtlich der vorhandenen Bildungs- oder Arbeitsfähigkeit.123

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