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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 491
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Den Urheber dieser Entwicklung sieht Reitinger im Staat, der diese Entfremdung
von der Kirche bewußt voranzutreiben sucht: „Man sieht die jungen
Menschen vor sich, man hat sie geführt durch die Jahre ihrer Schulzeit,
man spürt, wie langsam ein neuer Geist der Ablehnung des Christentums
ihnen eingepflanzt wird; manche widerstehen, aber auf mehr als einen oder
eine haben diese Gedanken doch ihren verführerischen Reiz." (S. 26).

Diesen Geist bekommt Reitinger auf vielerlei Weise zu spüren: Die Gestapo
kommt ins Pfarrhaus, weil er 7 Ferienkinder aufgenommen und damit gegen
das sogenannte „Sammlungsgesetz" verstoßen hat. Er wird vom Sicherheitsdienst
vernommen, weil er Kritik an einem HJ-Führer geübt hat
wegen seines lauen Gottesdienstbesuchs. In seiner kirchlichen Tätigkeit
fühlt er sich, auch mitbedingt durch den Krieg, zunehmend eingeengt: Der
Religionsunterricht wird verkürzt von 3 auf 2 Stunden. Die kirchlichen Bibliotheken
des Borromäusvereins werden zensiert, die Gottesdienstzeiten
werden reglementiert, z. B. bei Fliegeralarm nach Mitternacht dürfen die
Kirchen am nächsten Morgen erst um 10.00 Uhr geöffnet werden. Auch an
Allerheiligen darf nur noch im Rahmen des werktäglichen Gottesdienst gehalten
werden. Reitinger meint hierzu: ,,Ob es aber von der Staatsführung
klug ist, das Volk immer wieder in seinem religiösen Empfinden und in seine
religiösen Gewohnheiten einzugreifen, wird vielleicht die Zukunft zeigen
. .." (S. 53).

Von April 40 an beginnt der Krieg stärker in die bisher so friedliche Gegend
hineinzuwirken: „Ende April bekommen wir Einquartierung! Eine Baukompanie
wird zu uns gelegt; ihr Auftrag ist, die Straße von Steinach über
Geisberg-Schweighausen-Streitberg nach Bleichheim so herzurichten, daß
sie für militärische Zwecke brauchbar wird. .. Das Kommen der Soldaten
war ein Zeichen dafür, daß nunmehr auch im Westen der Krieg in ein entscheidendes
Stadium eintritt... Jede Nacht fahren Munitionskolonnen, auf
dem Streitberg entsteht ein riesiges Munitionslager. Für einige Tage haben
wir über 1000 Mann Einquartierung im Ort, alle Kammern und Stuben liegen
voll; die Scheunen der Bauern sind überfüllt." (S. 29).

Auch die Zahl der Erholungssuchenden wächst in dieser Zeit stark an.
Schweighausen wird langsam Kurort, und nicht alle Besucher finden vor
den Augen des Pfarrers Gnade; vor allem den Preußen ist er nicht wohlgesonnen
: „Und so kommen sie, die edeln Volksgenossen aus Berlin, Leipzig,
Dresden, zum Fressen und Hamstern. Mit Kisten, Kasten und Koffern, Paketen
reisen sie wieder ab. Wenn es nach mir ginge, dürfte kein Preuße die
Mainlinie überschreiten. Daß sie verständnislos und mit preußischer Arroganz
dem Beten unserer Leute gegenüberstehen, versteht sich bei ihnen von
selbst; sonst wären sie ja nicht, was sie sind — Saupreußen." (S. 54).

Aber nicht nur Urlauber beherbergt Schweighausen; außerdem halten sich
im Ort kriegsgefangene Franzosen, zivilverpflichtete Polen, zurückgeführte

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