Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 502
(PDF, 137 MB)
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eine Mutter, bei deren Tochter Störungen auftreten, den Doktor um eine
Spritze angeht, so ist das nicht mehr Unwissenheit, sondern eher böser Wille
. Und wenn eine Frau einer anderen Mittelchen angibt, wie man sich da
helfen könne, gehört das auch in dieses Kapitel. Die vielgepriesene Moral
und Christlichkeit des Landes ist brüchiger, als sie auch Naive meinen
möchten. Und der Krieg hat zu weiterer Zersetzung sehr viel beigetragen."
(S. 331).

Am 4. April 48 feiert die Gemeinde Weißen Sonntag. Interessant ist die Beschreibung
der besonderen Umstände, unter denen die Feier stattfand: „Alle
Kinder hatten zum Weißen Sonntag ein Paar Schuhe erhalten, auch
verpflegungsmäßig war ihnen eine Sonderzuteilung gegeben worden: 2 Liter
Wein, 12 Eier und sonst noch einige Kleinigkeiten. Schade, daß die
Tracht der Erstkommunionmädchen immer mehr verschwindet; wohl aus
zeitbedingten Gründen. Wir hatten nur noch 10 Trachtenmädchen, 3 in einfachen
blauen Kleidern und 8 in weißen Fähnchen, wenn das nur zu keiner
Dauereinrichtung wird... Die Bilanz der Trauer: 7 Kinder haben ihren
Vater verloren, davon 6 durch den Krieg, eines hat die Mutter verloren."
(S. 335).

Langsam regt sich im Dorf auch die Bautätigkeit wieder. ,,Es baut aber nur
die Firma BMW — d. h. Bäcker, Metzger, Wirte. Der Kronenwirt ... hat
sein Haus sehr nobel herrichten lassen: Gasthaus und Pension zur Krone
prangt an 2 Fronten. Die Sonne will umbauen. Der Metzger Hämmerle vergrößert
sein Anwesen. Auch der Bäcker Hämmerle hat Baupläne. Der arme
Normalverbraucher sitzt auf seinem Gelde und kann nichts damit anfangen;
wie nötig wäre die Innenrenovation der Pfarrkirche, der Annakapelle und
der Außenputz des Pfarrhauses; es scheitert an der Materialbeschaffung."
(S. 340).

Am Montag, dem 25. Oktober 48 erhält Reitinger die Nachricht von seiner
Versetzung als Pfarrverweser nach Freiburg-St. Georgen. Schon mehrere
Male hatte die Kirchenbehörde einen Wechsel gewünscht und war von ihm
stets abgelehnt worden. Zum 1. Dezember wird er die Pfarrei verlassen. Er
schreibt: ,,... bei den meisten löst dies — ich darf dies ohne Überheblichkeit
sagen — ehrliches Bedauern aus. Und auch mir fällt der Abschied nicht
leicht. Wir sind in diesen 10 Jahren doch recht zusammengewachsen und
haben uns im großen Ganzen gut verstanden." (S. 365).

Zum Schluß drängt sich dem Leser wohl unwillkürlich die Frage auf nach
dem Persönlichkeitsbild, das uns durch die Zeilen dieser Chronik vermittelt
wird. Welches Denken und Fühlen, welche inneren Einstellungen und
Überzeugungen bestimmten das Handeln von Pfarrer Reitinger? Diese Frage
ist nicht einfach zu beantworten, da doch sehr widersprüchliche Eindrücke
haften bleiben. Da sehen wir einerseits einen Mann, der mit

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