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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 675
(PDF, 137 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0675
folgekämpfe nach dem Tode Kaiser Neros
(Vierkaiserjahr) wurden offenbar rechtsrheinische
Germanengruppen von Vespa-
sian zu Einfällen ins Reichsgebiet ermuntert
, um Truppen seines Gegners zu binden
und eine zweite Front aufzubauen.

Unklar ist nach wie vor die verkehrspolitische
Situation (S. 28f.) vor den Jahren
73/74 n. Chr.; vielleicht muß man doch mit
einer Straße über den Südschwarzwald als
Vorläufer der Kinzigtalstraße rechnen. Auf
den Seiten 35-40 stellt Verf. die Belege
(Inschriften und Ziegelstempel) für die Anwesenheit
römischer Truppen in Baden-
Baden vor. Einzelne Ziegelstempel wie je
ein Exemplar der 26. Freiwilligen-Kohorte
aus den Thermen und aus dem Baukomplex
auf dem Rettig-Hügel besagen jedoch wenig
über eine Beteiligung der Truppe an
Baumaßnahmen, da es sich auch um wiederverwendete
oder sogar kleinräumig
transportierte Altziegel handeln könnte.

Mehr Beweiskraft könnte einer Bauinschrift
der 26. Kohorte vom Gelände des
heutigen Friedrichsbades zukommen, die
jedoch nicht angibt, was gebaut wurde.
Grundlegend ist Schallmayers Schilderung
der Thermenanlagen (S. 41 ff.), wobei sich
u. a. zeigt, daß die alten Bezeichnungen
„Soldatenbäder" und „Kaiserbäder" eigentlich
einer realen Grundlage entbehren.

Deutlich stellt der Verf. heraus, daß es keinerlei
Belege für einen Aufenthalt Kaiser
Caracallas (211—217 n. Chr.) in Baden-
Baden gibt (S. 55-57).

Uberraschend ist die versuchsweise Lokalisierung
des römischen Verwaltungszentrums
auf dem Rettig-Hügel (S. 58ff.).
Hier wie auch im Falle des Weihebezirks
zeigt sich der schlechte Forschungsstand in
Baden-Baden, der weit hinter dem vergleichbarer
Orte zurücksteht. Die tief liegenden
, teilweise alt gestörten Fundschichten
und Bauten wurden in den vergangenen
Jahrzehnten oft nur zufällig entdeckt und
unzureichend dokumentiert. Daher ist m.
E. vorläufig die Annahme römischer
„Müllhalden" (S. 86) sehr fragwürdig, zumal
die früh geborgenen Fundkomplexe in
Baden-Baden oft nur sehr selektiv aufbewahrt
wurden.

Die Darstellung unserer wenigen Kenntnisse
über Straßenzüge (S. 87—92) und Gräberfelder
(S. 93-99) rundet die topographische
Darstellung Baden-Badens ab.

Daß auch noch viel Arbeit zur Untersuchung
des Umlandes von Aquae nötig ist,
zeigen die Seiten 100—104, wo nur die
wichtigsten Fundstellen aufgezählt sind.

Eine erste Kartierung findet sich im Führer
zu archäologischen Denkmälern in Deutschland
16: Karlsruhe und der Oberrheingraben
(1988); die dort für die Region Rastatt
— Baden-Baden kartierten Fundpunkte haben
sich inzwischen fast verdoppelt.

Sehr detailliert untersucht wird das bisher
kontrovers behandelte Ende der römischen
Besiedlung von Aquae (S. 105 ff.). Entgegen
den Ergebnissen von M. Riedel, der einen
sehr frühen Bedeutungsverlust mit
einem Siedlungsende im frühen 3. Jh. annahm
, kann Schallmayer ein Funktionieren
der Siedlung und des Verwaltungsmittelpunktes
bis zur Mitte des 3. Jh. aufzeigen.
Dieses Ergebnis deckt sich bestens mit den
Entwicklungen in anderen Orten Südwestdeutschlands
; neuere Untersuchungen z. B.
über die Verbreitung von römischen Münzen
hinter dem Limes (u.a. C. S. Sommer
in: Archäologie in Württemberg — Ergebnisse
und Perspektiven archäologischer
Forschung von der Altsteinzeit bis zur Neuzeit
, 1988, S. 303-307) und über die literarische
Quellenlage zeigen m. E. sogar, daß
der bisher um 259/260 angenommene
„Fall" des Limes und die Einrichtung der
Rheingrenze fragwürdig sind. Die Entwicklung
wird in den verschiedenen Provinzen
und an den einzelnen Truppenstandorten
unterschiedlich verlaufen sein,
und mancherorts hat man mit einem längeren
Weiterleben einer gallorömischen (romanischen
) Restbevölkerung zwischen und
mit den frühen Alemannen zu rechnen. Auf
sie könnten vielleicht auch manche Kontinuitäten
von Flur- und Ortsnamen zurückgehen
; Schallmayer weist selbst auf ein
interessantes Beispiel (S. 111) hin: so taucht
der aquensische Verwaltungsbezirk offenbar
wieder in einer frühmittelalterlichen
Urkunde als „in pago autiazinse" auf.

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