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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 284
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(das ist Frankreich!) zur Verfügung stellen". Sehr aufschlußreich gerade für
die spätere Entwicklung ist es, wenn wir Moscherosch hier wörtlich anführen
: „Auch wohl glaube, daß etliche auß Noth (weil sie jhre Dienst dem
Vatterland offt angetragen, aber also sitzen blieben und für nichts geachtet
worden) sich in frembde Dienst haben einlassen müssen. Darumb es scheinet
, als ob Teutschland selbst seinen Untergang entgegen lieffe, dieweil es
selbst solche Leute von sich stosset... „Das ist eine klare Aussage für die
Zeit damals und fast hellseherisch für später.15

Ab dem Jahre 1648 ist Frankreich im Elsaß — man kann sagen — allein bestimmend
. Wäre damals das Königreich Frankreich über den Rhein in badische
Lande offiziell vorgestoßen und hätte sie annektiert — einige Gebiete
diesseits des Rheins waren von den Franzosen besetzt, sind dann aber wieder
von ihnen geräumt worden —, dann hätten diese später großherzoglich
badischen Lande die gleiche Entwicklung genommen wie die deutschen
Provinzen Elsaß und Lothringen, wäre dann auch mit der Zeit die Bevölkerung
in diesen Landen frankophil geworden. Wir wollen uns hier gar nichts
vormachen. Eine staatliche Zugehörigkeit — wir erkennen das ganz deutlich
am Beispiel Elsaß, wir werden das nachher belegen können —, hat immer
eine Zwangsläufigkeit an sich. Die französische Diplomatie, klug wie
sie immer war, dabei ihre Möglichkeiten nie überschreitend, wollte sich
aber nicht mit Territorien diesseits des Rheins übernehmen, was sie ohne
weiteres hätte tun können. Daß die Entwicklung in elsässischen Landen —
von einem einheitlichen Elsaß konnte man damals noch nicht reden —, in
den folgenden Jahrhunderten so vor sich gehen würde, das konnte man in
jenen Jahrzehnten noch nicht voraussehen.

Straßburg muß 1681 sich wie „eine enterbte Tochter" vorgekommen sein,
was es wirklich auch gewesen ist. Dieses Trauma, das das Deutsche Reich
verursacht hat, ist dort nicht mehr vernarbt, das hat sich weithin auf das
ganze Elsaß übertragen. Da die Umstände im Deutschen Reich sich nicht
besserten, blieb der Bevölkerung nur eines übrig: die Anpassung an Frankreich
, die sich in Etappen vollzog. Enttäuschung über das Deutsche Reich
als solches — im Elsaß war die Vorstellung über dieses noch sehr lebendig
in jenen Jahrzehnten — und damit zusammenhängend die zwangsläufige
Notwendigkeit zur Anpassung an Frankreich, bilden die ersten Glieder in
der Entwicklung zur Frankophile — unbewußt zuerst, dann aber nachher
bewußt — in der elsässischen Bevölkerung. Man möchte fast annehmen,
daß man sich darüber im Deutschen Reich nie genügend Rechenschaft gegeben
hat. Treulosigkeit des Deutschen Reiches — und es war das — auch
wenn sie wegen der Schwäche des Reiches als solches und seiner Institutionen
nicht vermeidbar war wird später Gleiches im Elsaß nach sich ziehen.
In der Erinnerung bildet sich das mythenhaft aus und vererbt sich geistig
weiter. Solches Bewußtsein reift nicht nur beim Einzelnen, sondern ergreift
auch ein Kollektiv, und das ist dann das Elsaß langsam, aus verschiedenen

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