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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 320
(PDF, 143 MB)
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mersweirer Bauern hingegen galten andere Maßstäbe, Ansprüche erheben
durften zuerst die guten Bürger" und „fleißigen Familien".

Die unterbäuerliche Schicht fiel aus jener Gemeinschaft heraus. Hinter unserem
historischen Dokument verbirgt sich also handfeste Machtpolitik,
wir erfahren gleichzeitig einige wichtige Erkenntnisse über die Denkweise
der Menschen.

Armut interpretierte man in jener Zeit nach moralischen Kategorien, ,,arm
sein" hing mit Schicksalhaftigkeit zusammen. „Früher" existierte noch so
etwas wie „Caritas" gegenüber dem Elend, im frühen 19. Jahrhundert nachweislich
nicht mehr. Weil der Staat die „guten Bürger" bei seiner Kollekte
nicht berücksichtigte, so mußten diese das staatliche Handeln als einen Affront
aufnehmen.

Aus der Sichtweise der Rammersweirer Bauern konterkarierte der Staat ein
weiteres Anliegen dörflicher Politik: die Abschottung der privilegierten
Bürgergemeinde gegenüber der unterbäuerlichen Schicht.

Da die Rammersweirer Bauern gegen die Obrigkeit nichts ausrichten konnten
, regelten sie die Angelegenheit im Dorf selbst. Ihren Zorn luden sie jetzt
auf die armen Dorfbewohner ab. Eine solche Reaktion überrascht nicht.
Vermutlich erfüllte ja dieser Konflikt eine Art Ventilfunktion für den seit
langem angestauten Unmut. Die finanziellen Belastungen durch Umlagen,
Steuern und Zehntablösung erfuhren die Steuerpflichtigen als schwere Last.
Da ein Teil der Umlagen auch die Armenausgaben deckte, äußerte sich der
Ärger der Steuerzahler in erster Linie gegenüber den Dorfarmen.

1859 befand sich Rammersweier schließlich am Ende einer jahrzehntelangen
Krisenperiode, die das soziale Gefüge beinahe , ,auf den Kopf" gestellt
hatte.

Zwei Auswanderungswellen in den 1840er und 1850er Jahren zerrissen unzählige
Verwandtschaftsbeziehungen. Die meisten Bewohner führten eine
Existenz in Verschuldung, Hunger und Not. Die Mißernte von 1859 stellte
sie erneut vor die Entscheidung, hier zu bleiben oder auszuwandern.

Verzweiflung, Zukunftsängste und die Polarisierung der dörflichen Gesellschaft
begünstigten letztendlich den Ausbruch des Rammersweirer Hagelkonflikts
.

2. Die Sucht nach der Ursprünglichkeit

Der Rammersweirer Hagelkonflikt und seine Deutung führt uns zu einem
Kernpunkt der Dorfgeschichtsschreibung: der Annäherung an das Dorf der
Vergangenheit und seiner Bewohner. Ein schwieriges Unterfangen!

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