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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 323
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Heinrich Riehl fast ungebrochen bis in den nationalsozialistischen
Volkstums- und Volksgemeinschaftsbegriff hineinzog.

Wer sich heute mit dem Thema Volkskultur beschäftigt, nimmt zwangsläufig
einen Teil dieser historischen und ideologischen Hypotheken mit auf15;
das Zögern vor dem Begriff , ,Volk" ist ein sehr offensichtliches Symptom
dieser Erbschaft.

Die Beschäftigung mit Volkskultur geschieht oft in der Absicht, faszinierende
, bunte, fremde Lebenswelten wieder zum Leben zu erwecken oder vorindustrielle
Lebensweisen zu romantisieren.16 Doch die dörfliche Kultur
und Lebensweise stand häufig in einem Konflikt mit der Obrigkeit: dem
Grundherrn, Standesherrn, Klerus und Staat. Seit dem 18. und 19. Jahrhundert
verschärfte sich der soziale und wirtschaftliche Veränderungsdruck.

Die Rammersweier-Studie verdeutlicht, daß sich zahlreiche Auseinandersetzungen
um moralische Werthaltungen, religiöse Einstellung und ritualisierte
Handlungsmuster entzündeten. Neue Gesetze, wirtschaftliche Entscheidungen
und politische Veränderungen brachen primär über den Alltag
herein und stellten das „Selbstverständliche" in Frage. Dann mußten die
Betroffenen, was bisher unbezweifelt galt, überprüfen und gegebenenfalls
preisgeben, wenn es nicht mehr verteidigt werden konnte.17

Die Dorfbevölkerung reagierte auf Druck von außen keineswegs passiv,
sondern eher renitent. Ihr Reaktionsspektrum schwankte zwischen phantasievollem
Agieren und dumpfem Protest.

3. Die Fakten

Politische Ereignisse und soziale Entwicklungen hinterließen Anfang des
19. Jahrhunderts deutliche Spuren: Krieg, Mediatisierung und Säkularisation
veränderten die politischen Herrschaftsverhältnisse. Staatliche Eingriffe
waren es, die das Verhältnis zwischen Staat, Kirche, Gemeinde und
Untertan neu definierten: Abhängigkeiten veränderten sich. Die Gemeindeverwaltung
und die Kirche erfuhren Kompetenzverluste zugunsten der staatlichen
Bürokratie. Letztere band die Gemeinden gleichzeitig in den gesellschaftlichen
Modernisierungsprozeß ein.18

Dennoch blieb die „alte" Ordnung lange erhalten. Dringend notwendige
gesellschaftliche Reformen versandeten in Halbheiten. Für die badischen
Gemeinden hatte das fatale Folgen. Schließlich mußten sie an zwei Fronten
kämpfen: gegen den wachsenden Druck ,,von oben", also die wachsende
staatliche Intervention in Gemeindeangelegenheiten und gegen den Druck
von ,,unten", gemeint sind die sozialen Folgen von Wirtschaftskrisen, Mißernten
und Verschuldung: die massenhafte Verarmung der Bevölkerung.

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