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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 326
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4. Sozialer Protest

Dörfliche Konflikte vollzogen sich in der Regel im Versteckten. Erkenntnisse
, die wir von dörflichen Ereignissen und Strukturen gewinnen konnten,
spiegeln daher nur teilweise die dörfliche Realität wider.

Das Protestspektrum reichte von kleinen Feld- und Walddiebstählen, über
nächtliche Tumulte, „Katzenmusiken", religiös motivierte Unruhen, bis zu
Handgreiflichkeiten. Lokalakten und Zeitungsberichten geben uns wichtige
Hinweise über einzelne Vorfälle. Schauplätze boten Straßen, Gassen und
Wirtshäuser. Alkohol war fast immer im Spiel.

Sicherlich sind wir versucht, Beschwerden über „nächtliche Ruhestörungen
" und „Toben und Schreien" nur der stimulierenden Wirkung des Alkohols
zuzuschreiben, was auch das damals gängige Erklärungsmuster der
Behörden war.24 Doch besitzen die gerade angesprochenen Delikte nicht
immer den Charakter isolierter Einzelaktion. Entscheidend war das Handeln
in der Gruppe.

In und vor dem Wirtshaus focht die Polizei einen hartnäckigen Kleinkrieg
mit dem Ziel aus, den Einhalt der Polizeistunde gegen die Geselligkeitsbedürfnisse
der Wirtshausbesucher durchzusetzen. Verschiedene Amtsbezirke
klagten in den dreißiger und vierziger Jahren offen über die zunehmende
Zahl von „Übersitzern", die in Wirtshäusern die Polizeistunde überschritten
.

Im Jahr 1822 häuften sich Beschwerden über nächtliche Ausschreitungen.

„Es ist die Anzeige geschehen, daß aus Anlaß der Bälle, in den Wirthshäusern und Wirths-
stuben mit Uebertretung der Polizeyordnung das Zechen fortdaure; damit dieses, und die gewöhnlich
darauf erfolgende Nachtschwärmerei künftig unterbleiben, werden Wirthe und
Gäste auf die bekannte Polizey-Ordnung rückgewiesen".25

Was wir hier beobachten können, läßt sich nicht als eine Veränderung der
Trinkgewohnheiten abtun. Es handelte sich um eine Reaktion der Bevölkerung
auf ein Anwachsen staatlicher Tätigkeit und Kontrolle in Bereichen,
die bis zu diesem Zeitpunkt durch gemeindliche Konventionen geregelt waren
.26 Die amtlichen Klagen kennzeichneten im Grunde die Diskrepanz
zwischen staatlichem Rechtsanspruch und gewohnheitlichen Regelungen innerhalb
von Gemeinden. Gleichzeitig spüren wir eine Lockerung der Abhängigkeiten
und Beziehungen innerhalb der dörflichen Gesellschaft.
Unzureichende, ökonomische Verhältnisse zwangen die Dorfbewohner zur
erhöhten Mobilität.

1823 klagte deshalb das Offenburger Oberamt:

..Durch diesen Unfug wird nicht nur die Sittlichkeit und der Wohlstand gleich nachtheilig
gefährdet, sondern auch die Aufsicht der Polizey bedeutend erschwert."2'

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