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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 333
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in den vierziger Jahren. Er besaß zwar ein Steuerkapital von 1315 Gulden,
doch seine Liegenschaften mußte er alle verpfänden lassen und „noch mit
richterlichen Nachpfändern versehen, so daß von seinen Realitäten bei ungünstigen
Erlöß veräusert würde, so würde kaum erlößt das seine Schulden
bestritten werden könnten."66

Rolle konnte seinen Beruf als Zimmermann nicht mehr ausüben. Er griff
zur Flasche:

,,So viel uns bekannt ist derselbe ein ehrlicher arbeitsamer und friedlicher
wens so wie er aber betrunken ist so ist er ein unfriedlicher und zänkender
Mann."

Rolle kapselte sich zunehmend von den übrigen Dorfbewohnern ab. Kein
Gemeindebeamter konnte mehr mit ihm ,,etwas richten", „weil er bei jeder
Gelegenheit den Bürgermeister so wie die Gemeinderäthe beschimpft, so
das niemandem mag etwas mit ihm zu schaffen habe."

So sehr wir heute geneigt sind, spektakulären Ereignissen einen hohen
Wahrheitswert zuzubilligen, müssen wir davon ausgehen, daß die Mehrzahl
der von der Armut betroffenen Rammersweirer Zimmermann Rolles oder
Tagelöhner Philipp Hermanns Weg einschlugen: ein Weg, der von Elend
und Mangel, Resignation und dumpfem Protest gezeichnet war, ein Ausgegrenztsein
aus der dörflichen Gesellschaft, ein Leben ohne Zukunftsperspektiven
.

5. Sittlichkeit und Frömmigkeit im Wandel

Kommen wir zu einem weiteren Konflikt zwischen Staat, Kirche und Gesellschaft
, nämlich zur religiösen Praxis der Untertanen, mit anderen Worten
: zu den Frömmigkeitsformen der Menschen.

Was wissen wir eigentlich über die Frömmigkeit unserer Vorfahren?

Heißt es nicht: Früher waren die Leute ärmer, aber dafür glücklicher und
frömmer?

Dem Volk sprach man in der Vergangenheit gerne kollektive Eigenschaften
und Sehnsüchte zu, die einer exakten Quellenkritik nicht standhalten. Begriffe
wie Frömmigkeit und Sittlichkeit veränderten ihren Sinn, Inhalt und
ihre Ausdrucksform. Doch dieser Wandel scheint oft an den Geschichts-
schreibenden vorübergegangen zu sein.

Als Beispiel solcher kollektiver Sehnsüchte möchte ich den jahrhundertelangen
Kampf der Gläubigen des Rebgebirges nahe Offenburg um eine eigene
Pfarrei vorstellen.

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