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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 337
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zur Staatsanstalt und die Seelsorger zu Organen derselben werden. Gemeinsam mit den neugeschaffenen
, repressiven Kontrollinstanzen der Staatsverwaltung hatten sie die geplante
Umerziehung der Menschen vorzunehmen."75

Josephs Reformwerk orientierte sich an zwei Zielen: Erstens die Beseitigung
der Äußerlichkeiten barocker Frömmigkeit, die er als Aberglaube
bewertete, und zweitens die rigorose Ernüchterung der verbleibenden Religionspraxis
.

Mit dem neuen Religionsverständnis wandelte sich die Rolle des Dorfpfarrers
. Der josephinische Idealpfarrer sollte sich durch „wahre" Frömmigkeit
auszeichnen, die sich nicht in Gebeten und Andachtsübungen,
sondern in tätiger Nächstenliebe und besonders in der Wiederbelebung
sittlich-moralischer Prinzipien äußerte.75

Der Pfarrer wurde angehalten, Verstand, Herz und Gemüt der Gläubigen
durch das ermahnende, hinweisende und erklärende Wort aufzurütteln, das
Bildhafte, Augenfällige trat dagegen in den Hintergrund. Minutiöse Vorschriften
versachlichten und reduzierten die für die ärmere Bevölkerung oft
einzige Abwechslung glanzvoller Kirchenfeierlichkeiten zu zweckmäßigen
Andachtsübungen.76 Josephs Neuerungen blieben trotz vorübergehender
Realisierung erfolglos. In vielen Dörfern fanden passive Abwehrreaktionen
statt.77

Als Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg 1802 sein Amt als Generalvikar
der Diözese Konstanz antrat, begann in Baden eine zweite Welle umfassender
Neugestaltung kirchlicher Angelegenheiten. Wessenberg orientierte
sich wie Joseph II. an aufklärerischen Zielen. Er wandte sich gegen die
Überbewertung von Nebenandachten und Wallfahrten, die Predigt, Katechese
und Christenlehre als Mittel einer moralischen und sittlichen Erziehung
unterhöhlten.78

Häufige Vorwürfe zielten auf die Lebensweise ärmerer Schichten, hier wiederum
auf den ,,Luxuskonsum", den bürgerliche Kritiker als einen Ausdruck
vollendeter Irrationalität der Lebenshaltung bewerteten. Anlässe für
den exzessiven Konsum boten die zahlreichen Dorf- und Familienfeste,
Hochzeiten, Taufen, Hausbauten, Sonntagsmessen und Wirtshausbesuche.

Sichtbares Zeichen einer solchen Lebensauffassung erkannte man in der
Durchbrechung von traditionellen Kleidersitten und Essensgewohnheiten
und in der Leichtfertigkeit im Umgang mit Geld.

Der Unmut der Obrigkeit gegen exzessives Feiern und Schwelgen hatte Tradition
.

Bereits 1754 wies ein Edikt auf das zu , ,üppige Essen von Hochzeiten und
Kindstaufen hin", ferner auf „unmäßiges Schwelgen und verderblicher Verwendung
von Zeit und Geld". Es begrenzte die Zahl der Hochzeitsgäste und
die Menge der Speisen und Getränke.80

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