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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 344
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,.Da der gütige Gott die Güter dieser Erde allen Menschen überlassen hat, so kann auch
jeder, der seine Kräfte und Anlagen benutzen will, sich davon erwerben. Wie wäre dies aber
möglich, wenn dieselben fortwährend im Besize einer Familie wären; müßte bei den übrigen
Menschen, die nicht in den Besiz gelangen können, nicht zuletzt aller Muth vergehen? (...)
So muß auch das Wandelbare des Irdischen dazu beitragen, daß Fleiß und Sparsamkeit belohnt
wird, und Trägheit und Verschwendung ihre Strafe erhalten."

Gäßler stellte die starren Besitzverhältnisse seiner Zeit an den Pranger. An
die Stelle der traditionellen Fixierung auf ererbte Rechte setzte er die bürgerliche
Rechtsmoral. Modern klingen Gäßlers Ausführungen zu den gesellschaftlichen
Ursachen krimminellen Handels. Wie wohl die Zuhörer
seine Meinung über die Ursachen gesellschaftlichen Fehl Verhaltens aufnahmen
?

..Was sind die meisten Lasterhaften und Verbrecher? Verirrte und Verführte! Wie viele werden
schon frühe als Heuchler, Diebe, Lügner, Betrüger, Verbrecher durch eine schlechte Erziehung
. Sie hatten vielleicht keine zärtlichen und gewissenhaften Eltern, die für ihre
Erziehung sorgten, sie gegen Vergehen warnte, sie vor Fehlern durch Strafen und ernstliche
Verweise zurückhielten und zur Gottesfurcht und Ausübung der Tugend leiteten; vielleicht
sind sie nachlässig zur Schule geschikt worden, hatten also keinen gründlichen Unterricht
in den Lehren des Christenthums erhalten (...)"109

Die Beharrlichkeit des Dorflebens und fehlende Solidarität der Bauern gegenüber
sozialem Elend sprach Gäßler offen an. Inständig rief er seine
Gläubigen auf, Notleidenden beizustehen:

,,Es wird wohl vielen meiner Zuhörer auffallend vorkommen, wenn ich behaupte, daß kein
Mensch, so niedrig und arm seyn darf, von dieser Pflicht frey sey (...) Jeder Mensch lebt
nicht abgesondert für sich, sondern er lebt in einer Gesellschaft, deren Mitglieder er gleich
bey seiner Geburt wird. Die ganze Menschheit bildet eine große Familie, die zum Zwecke
hat Tugend zu üben und Gott ähnlich zu werden.""0

Gnadenlos und voller Polemik rechnete Gäßler mit Neid, Geiz und Mißgunst
seiner Gläubigen ab.111 Verschiedene Frömmigkeitsformen griff er
als Heuchelei offen an, entlarvte Vorurteile seiner Zeitgenossen. Vom Begriff
der Armut als gottgewolltem Zustand hielt Gäßler nichts. Die soziale
Verantwortung gab er den Reichen und Besitzenden.

„Viele sorgen für ihre Thiere mehr, als für arme Menschen. Wenn Hund, Pferd, oder sonst
ein Lieblingsthier des Herrn erkranket, so muß alles im Hause laufen was Hände und Füße
hat; aber wenn ein Dienstbothe krank daniederliegt, so läßt man ihn verschmachten! dem
unvernünftigen Thiere holt man den Arzt, aber dem kranken Menschen, das Ebenbild Gottes
wirft man zum Haus hinaus."112

1857 starb Pfarrektor Joseph Gäßler. Er hinterließ seiner Pfarrgemeinde das
stattliche Vermögen von 2000 Gulden. Und nicht nur das. Er übergab seinen
Weingartnern eine Völksbibliothek mit insgesamt 1400 Werken, die der
Pfarrgemeinderat für 100 Gulden ersteigerte. Diese hatte Gäßler während
seiner Amtszeit angeschafft.113

Vier Jahre nach Gäßlers Tod bekam Weingarten mit Joseph Haberstroh wieder
einen Pfarrektor. Pfarrektor Ludwig A. Heizmann schreibt über ihn:

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