http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0486
Die Jugendstilhäuser in Zell am Harmersbach
Thomas Kopp
Da für 1991 als Schwerpunkt Kinzigtäler Bildungsarbeit die „Epoche des
Jugendstils" genannt wird, die Stadt Zell eine entsprechende Foto-Ausstellung
plant und ebenso „Bildstein-Aufsätze" der Ritter von Buß-Schule
den Stoff behandeln, dürfte es angebracht sein, auch in der „Ortenau 91"
darauf einzugehen. Es sollen dabei — abgesehen von einer kurz gehaltenen
„Stilkunde" — die anstehenden Probleme ganz bewußt vom Zeller Standpunkt
aus gesehen werden.
Der Jugendstil
benannt nach einer seit 1884 in München erscheinenden Zeitschrift, beherrschte
vor und nach der Jahrhundertwende (1900) nicht nur die Baukunst
, sondern u.a. auch das graphische (siehe Buchschmuck bei Hansjakob
!) und das keramische Gewerbe. Die Zeller Keramikausstellung von
1989 zeigte deutlich den Einfluß des Jugendstils auf die Herstellung bei
Steingut und Porzellan. „Zur Jahrhundertwende findet sich im Musterbuchrepertoire
eine ganze Reihe von Jugendstilentwürfen mit stilisierter Ornamentik
."1 Fachleute sprechen von „Jugendstil-Keramik" und rechnen
auch den Dekor „Hahn und Henne" dazu.
Besonders aber kam zwischen 1890 und 1905 der „moderne Stil" in der
Baukunst. Man war müde von der bisherigen Ausdrucksweise, der nichts
Neues mehr einfiel. Die Jugend „protestierte" und warf den Alten vor, von
der Vergangenheit gelebt zu haben. Man baute in „Neugotik" (Nordracher
Kirche von 1904/05, Grabtürmchen des Hermesburen auf dem Zeller
Friedhof), griff auf Renaissance zurück, arbeitete also mit den „Zinsen
der Vergangenheit". Die Antwort auf diese „Totenbeschwörung" war der
Jugendstil, in dem die „Schaulust der Gründerzeit" und die Freude
am Äußeren mit Ornamenten, Schnörkeln, stilisierten Naturformen in
schwungvoller Linienführung zum Ausdruck kam.
Der Jugendstil baute nicht — wie einst die Gotik — von innen her, war im
Grunde genommen also „Protzerei", Verrat am Baugedanken und somit
eine gewisse „Unwahrheit".
Erst als man sich auf Wesen und Zweck eines Baues besann, konnte der
Jugendstil überwunden werden. Am deutlichsten zeigte dies die spätere
„Neue Sachlichkeit", die mit ihren Elementen dem Industriezeitalter gerecht
werden konnte. Ein gutes Beispiel, wie die Bauweise wieder „sach-
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