Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 501
(PDF, 143 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0501
„Eine herrliche Büchersammlung ist es gewesen" —
Die Humanistenbibliothek von Offenburg

Martin Ruch

Am 13. Januar 1880 notierte der Schriftführer des Stiftungsrates von Hl.
Kreuz über eine Sitzung des Rates: „Der Herr Vorsitzende machte die Mitteilung
, daß er eine auf dem Pfarrhofspeicher ohne Schaft und Behälter,
dem Zahn der Zeit in jeder Art ausgesetzt gewesene, wahrscheinlich von etwa
300 Jahren der Kirche gehörende alte unvollständige,Bibliothek (Hl.
Schriften und andere Werke Kirchenväter) da sie für hier wertlos war, um
den Betrag von 19 Stücke Zwanzig Franks an den P. Benedikt Gottwald in
Engelberg verkauft habe. Der Erlös wurde dem Rechner König einstweilen
mit der Weisung übergeben, daraus thunlichst eine an Werth gleichkommende
Badische Obligation zu kaufen, damit solches Zins trage."1

Initiator des Verkaufs an den Benediktinermönch Benedikt Gottwald im
schweizerischen Kloster Engelberg war, das geht auch aus dem Briefwechsel
mit dem Käufer hervor, der damalige Stadtpfarrer Dekan Adam Pellisier.
In der Öffentlichkeit wurde die Transaktion allem Anschein nach nicht bekannt
— wohl auch deshalb, weil niemand mehr etwas von der Existenz der
Bibliothek wußte. Es ist schon ein glücklicher (und gleichzeitig doch auch
trauriger) Quellenfund, der hier gemeldet werden muß: Neben der bereits
bekannten und in der Literatur beschriebenen Bibliothek des Grimmelshausengymnasiums2
existierte eine weitere Offenburger Sammlung, im
Pfarrarchiv von Hl. Kreuz, die (bis auf zwei Ausnahmen) Wiegendrucke
(sogenannte Inkunabeln: vor 1500 gedruckt) und Bücher des 16. Jahrhunderts
beinhaltete. Die Auswahl der ursprünglich 372 Werke, ihr Themenspektrum
und die Autoren erweisen die Bibliothek sofort als einzigartige
Kostbarkeit: eine wertvolle Humanistenbibliothek war 300 Jahre in Offenburg
beheimatet gewesen.3

Die Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts suchten aus der Einseitigkeit
und „Beschränktheit" des mittelalterlichen Denkens zu einer neuen,
menschlichen (humanen) Bildung zu gelangen, indem sie die Kultur und Literatur
der römischen und griechischen Antike studierten: Ein Vorbild vollendeten
Menschseins war den Humanisten das Altertum. Gegen die
mittelalterliche Scholastik der Kirche fanden sie hier einen idealen und
ideellen Bundesgenossen — es lag nahe, daß die Humanisten zu Wegbereitern
und -begleitern der Reformation wurden. Der ehemalige Abt des elsäs-
sischen Klosters Hugsweier, Paul Volz aus Offenburg, Freund, Kollege und
Korrespondent führender Humanisten, der seine Klosterzelle verließ, sein
Amt aufgab und Protestant wurde, ist da kein Einzelfall gewesen. Auch er zog
die ihm einzig möglichen Konsequenzen aus seiner humanistischen Bildung.

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