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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 522
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Verhältnis entscheidend ist für die Zukunft des Kontinents" .. .41 Und es
folgen diese bedeutsamen Zeilen: „Hier an der Grenze fällt die Verständigung
am schwersten. Hier muß sich zeigen, wie tief sie geht."42

Zur Zeit der Locarno-Verträge (1925), der deutsch-französischen Entspannungspolitik
Briands und Stresemanns, äußerte sich Schickele zuversichtlich
, ja allzu optimistisch43; er forderte gleichzeitig (eine Formel Heinrich
Manns aufgreifend) ein „geistiges Locarno" mit Sitzungsort in Straßburg
.44 Allerdings blieb er von der realen Lage im Elsaß enttäuscht. So
kommt es im Erbe am Rhein auch zur schmerzlich-ironischen Variation
über die „erlösende Idee", die er dem Elsaß zu bringen behaupte: „Das geistige
Reich Karls des Großen, eine mächtige Drehscheibe mit dem Straßburger
Münsterturm als Zapfen der Achse!"45 Es fehlt nicht an bitterskeptischen
Bemerkungen, z. B.: „Es gab eine Zeit, da waren wir mächtig
im Geist, eine erlesene Provinz der einigen Christenheit Europa. Nun
sind wir zusammengeschrumpft rings um die hohen Denkmäler jener
Zeit" . . .46 Das Elsaß kann nämlich seine deutsch-französische Vermittlerrolle
(d.h. seine europäische Funktion) nur erfüllen, wenn die Zweisprachigkeit
, die „Doppelkultur", erhalten bleibt, und die sah er schon damals
gefährden (durch die französische Assimilationspolitik und mehr noch
durch das eigene Versagen der Elsässer). Verbittert muß Claus von Breusch-
heim/Rene Schickele das Elsaß verlassen, wo ihm keine Wirksamkeit mehr
vergönnt ist. Der Schluß der Elsaß-Trilogie („Also, bitte, Ihr letztes
Wort!") formuliert die drastische Alternative:

Entweder Europa wird sein. Und da spielt auch das kleine Trauer- und Satyrspiel
zwischen Rhein und Vogesen nicht mehr. Oder Europa wird nicht
sein. Dann ist das Elsaß so nebensächlich wie eine Zündholzschachtel in
einem brennenden Haus . ..

Der Autor legt seinem Romanhelden nochmals ein europäisches Credo in
den Mund, auf die eindringliche Frage „Und Sie glauben an Europa? An
einen Staatenbund — ja eine Gemeinschaft Europa?" folgt die Antwort:

Wie an das Leben. Ich weiß nur noch nicht, wer sie verwirklichen wird, Paris
und Berlin oder Moskau. Wollen Paris und Berlin es sein, so müssen sie
sich freilich beeilen ... Uns fehlt ja nur eins: Mut!47

Die Betonung liegt auf dem lebensnotwendigen Glauben. Man erkennt im
Hintergrund Schickeies damalige Befürchtung, es könnte zu einem kommunistisch
beherrschten Europa kommen. Der letzte Band der Trilogie erschien
1931 und verkündete beschwörend dieses europäische Credo, die
Lösung der Konflikte trotz aller Enttäuschungen noch im „Völkerbund",
wenigstens im Vertrauen auf die junge Generation erhoffend.48

Inzwischen hatte sich in Deutschland eine andere Gefahr herausgebildet.
Schickele erkannte sie früh genug und mußte dann erleben, wie der Natio-

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