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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 553
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he Besteuerung von Lebensmitteln verwahrt und statt dessen gefordert, zur
Verzinsung der Reichskriegsschuld von 120—140 Milliarden und der Amortisation
das gesamte Versicherungsgebiet, Börse und Bergwerke zu monopolisieren
, worunter er wohl die Verstaatlichung im Auge hatte. Um die
Schuld schnell zu mindern, sollten bei Jahreseinkommen über 4—5000 M.
die übersteigenden Beträge für 5 Jahre dem Staat zufallen.

Oktober 1918: „Hoch die Revolution — hoch die Bolschewiki!"

Der Monat Oktober zeigte in Offenburg schon deutliche Anzeichen heiterer
und ernsterer Art von Kriegsmüdigkeit. Unglaublich und originell fand
Monsch den Anblick, wie vier gefangene Engländer und Franzosen, die in
Ortenberg gearbeitet hatten, ihren sie bewachenden Unteroffizier in einem
Handkarren, worin er total betrunken lag, von dort bis ins Andreasspital
führten! Ein Franzose trug dabei sorglich dessen Gewehr!

Da die Tageszeitungen vor dem Umsturz nichts über die aufrührerische
Stimmung unter den Soldaten der Garnison berichten durften, verdanken
wir es Monsch, daß wir über mehrere ernsthafte Vorfälle informiert sind,
die signalisieren, wie weit bereits der Geist des Aufruhrs um sich gegriffen
hatte. Da zogen am 24. 10. etwa 15 Unteroffiziere am hellen Tag total betrunken
und krakeelend durch die Straßen. Und als tags darauf ein junger
Leutnant einen invaliden Soldaten anherrschte, weil dieser ihn nicht gegrüßt
hatte, geriet dieser in höchste Erregung: er sei seit Kriegsbeginn an der
Front gewesen, während der Leutnant hier herumstolziere. Als er den Leutnant
als Lausejungen titulierte und dieser auf ihn losging, zog der Soldat
das Seitengewehr. Bemerkenswert dabei ist, daß die sich bei der Einhornapotheke
angesammelte Menge Partei für den in Offenburg gebürtigen Soldaten
ergriff. Sie drängte sich zwischen die beiden und ermöglichte dem
Soldaten das Entkommen. Noch interessanter, daß eine vorüberziehende
Abteilung von Soldaten auf den Befehl des Leutnants, den Soldaten zu fangen
, überhaupt nicht reagierte. Monsch kommentierte diese Befehlsverweigerung
: „Böse Anzeichen", wie er zu dem Vorgang bemerkte: ,.Dieser
Auftritt zeigt, welcher Mißmut und Disziplinlosigkeit eingerissen ist. Mögen
viele Ursachen schuld sein, aber unsere Feinde haben dadurch leichteres
Spiel gewonnen." Ebenfalls im Oktober schrie ein Offizier am Bahnhof
einen Invaliden an, er solle aus dem Weg gehen. Empört faßte der Soldat
seinen Stock und schlug dem Offizier mehrmals auf den Kopf. Im Nu entstand
eine förmliche Revolte: ,,Hoch die Revolution, hoch die Bolschewiki,
hoch die Republik!" erscholl es aus den Soldatenmassen; doch ging schließlich
alles ruhig vorbei. Diese Schilderungen aus Offenburg haben bisher
noch keinen Eingang in die Fachliteratur gefunden, in der zwar erwähnt
wird, daß beispielsweise in Lahr bereits am 7. November politische Diskussionsgruppen
das Bild der Stadt bestimmt hätten, aber von den gravierenden

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