Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 571
(PDF, 143 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0571
nur wegen der so rasant erfolgten Geldentwertung. Was sich zwischen der
städtischen Behörde und dem frz. Kommando abspielte, kann hier nicht geschildert
werden. Arbeitslast und psychologische Belastung kannten oft fast
keine Grenzen mehr. Als Anfang Oktober 1923 wegen der Erneuerung der
Pässe auf dem Rathaus Tausende aus dem Kreis zur Neustempelung abgegeben
wurden, mußte ehrenamtlich oft bis 2 Uhr nachts durchgearbeitet werden
. Am 10. vermerkte Monsch, daß sämtliche Pässe vom neu besetzten
Gebiet abgegeben werden mußten: „Der Siegel des Bezirksamtes und der
Name des O. Amtmanns Schwörer müssen ausgestrichen und das Stadtwappen
mit den Namen Monsch und Schimpf an dessen Stelle gezeichnet werden
. 20 — 30000 Leute stürmten den freigegebenen Bürgersaal, um schnell
ihre Pässe wieder zu erhalten; doch kann dies 8 Tage dauern." Die rücksichtslosen
Ausweisungen von Familien mit kleinen Kindern, Alten und
Kranken belasteten das Gemüt; als Monsch und Schimpf bei Oberstleutnant
Rey um Nachsicht für die Verbannten baten, wurden sie barsch abgewiesen:
„Man bot uns alten Räten nicht einen Stuhl an." Tags zuvor waren einige
hundert Arbeitslose in großer Aufregung von Gengenbach zurückgekommen
, wo sie Unterstützungsgeld bei der Regierung holen wollten, aber abgewiesen
wurden, weil angeblich der passive Widerstand aufgehört habe.
Man verwies sie an die Stadt. „Dies ungerechte brutale Vorgehen in Gengenbach
empörte auch den hiesigen Stadtrat, da die Stadt selbst in Geldnot
ist und keine größere Notstandsarbeit auszuführen hat; außerdem könnte
das frz. Kommando wegen Ruhrhilfe strafend vorgehen; es muß dasselbe
erst gehört werden." Monsch und Schimpf wurden dort vorstellig und erhielten
die Genehmigung zur Unterstützung der Arbeitslosen. Monsch notierte
den Vorgang mit der Überschrift „Dramatische Szene", so daß es
offensichtlich tumultuarisch zugegangen sein muß. An anderer Stelle schildert
Monsch, wie zahlreiche Frauen, die Brotkarten im Büro holen wollten
und keine erhielten, so rabiat wurden, daß sie den anwesenden Schutzmann
hinter den Ofen warfen. Mittags stürmten etwa 200 Arbeiter aus der Spinnerei
ins Rathaus und brüllten in wildem Chorus: „Wir wollen Geld, wo ist
der Monsch, hängt ihn auf, er ist nicht besser als der Direktor Bauer."
Monsch eilte herbei und verlangte Ruhe und ruhige Mitteilung ihres Verlangens
. „Wir wollen Geld", schrie die Menge durcheinander. Monsch vertröstete
sie auf 5 Uhr, dann solle jeder einen Geldschein erhalten. Das
beruhigte sie, und sie zogen ab. Monsch informierte den sofort einberufenen
Stadtrat über die Sturmszene und beantragte, etwa 200 Geldscheine
herzustellen. In kurzer Zeit waren die Scheine mit je einer Million Mark
Wert hergestellt; sie trugen die Unterschrift von Monsch, Schimpf und
Gräulich, dem Sparkassenvorstand, und erhielten übrigens später einen hohen
Sammlerwert. Beide geschilderten Vorfälle scheinen identisch zu sein,
denn ein Zeitungsartikel „Seit 40 Jahren!" aus Anlaß seines Eintritts in den
Bürgerausschuß am 30. 10. 1883 berichtet über den Vorfall: „Wie sehr muß
die Stadt erst jetzt ihrem Rathausnestoren dankbar sein, da er in der un-

571


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0571