Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 573
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Die Inflation war die wirkliche deutsche Revolution

Noch einige Jahre später war er der Meinung: „Wahrlich, der Justiz und
jedem ehrlichen Richter muß es fast unmöglich sein, kleine Diebereien
zu bestrafen, wenn das Gesetz es erlaubt, daß die reichen Staats- und Bankinstitute
ihren Einlegern, vom Dienstboten bis zum Rentner, ihre Einlagen
annullieren oder nur einen winzigen Bruchteil zurückzugeben brauchen."
Der Protest von Monsch steht hier für alle Beraubten, insbesondere für den
,,geldsparenden Mittelstand": ,,Er wurde praktisch enteignet. Das schuf eine
ungeheuere Bitterkeit. Stefan Zweig hat später geschrieben, nichts habe
das deutsche Bürgertum so für Hitler reif gemacht wie die Inflation von
1919-1923."26 Nachdem am 20. Juni 1926 die Volksabstimmung über die
entschädigungslose Enteignung der Fürsten scheiterte, weil die 14,5 Millionen
Ja-Stimmen nicht ausreichten, kommentierte Monsch: „Weitere Verhandlungen
mit den millionenreichen Fürsten stehen bevor, wir ausgeraubten
Kleinrentner haben bis heute keinen Pfennig Aufwertung erhalten.
Staatsgaunerei!" Es könnte dies auch als Beleg für das Urteil von Alan Bul-
lock gelten, daß die wirkliche Revolution in Deutschland die Inflation gewesen
sei.27 Und diese Revolution mit ihren tiefgreifenden und weitreichenden
Folgen für die Enteigneten blieb nicht ohne Auswirkungen auf ihr Verhältnis
zur Weimarer Republik; die Furcht vor einer Inflation ist noch heute
zu spüren.

,,Wie ein Blitz aus blauem Himmel"

Am 18. August 1924 läutete es früh an seiner Wohnung: eine frz. Ordonnanz
überbrachte dem Stellvertreter des Oberbürgermeisters das Ansuchen, um
1/2 9 Uhr bei General Michel vorzusprechen. Nach freundlicher Begrüßung
durch Michel, kommandierender General des Kehler Brückenkopfes, der in
Begleitung von Oberstleutnant Rey, dem Delegierten der interalliierten
Kommission erschienen war, teilte ihm dieser mit, daß die Truppen im Laufe
des Tages Offenburg verlassen würden, nachdem die Londoner Konferenz
diese Abmachung getroffen habe. Bereitwillig sagte Monsch alle Hilfe
für den Abzug zu, der nach seiner Aufzeichnung der stillen Flucht nach einer
Festungsübergabe glich. Bedauernswert seien die französischen Familien
gewesen, die schon um die Mittagszeit mit umfangreichem Gepäck
nach Kehl fuhren; abends rückten die Truppen im Laufschritt ab. Am nächsten
Tag wurden zwei Kommissionen gebildet, die das Inventar von 50 Wohnungen
aufnahmen; auf den Tischen standen noch Schüsseln mit Suppe und
Gemüse; gute Kleidung, Wäsche lagen durcheinander, Geld und Bücher
fanden sich noch. Es war verständlich, daß Monsch es unter solchen Umständen
für einen französischen Unsinn hielt, die Familien in wenigen Stunden
zum Abzug zu zwingen: „Hatten wir die Invasion 1 1/2 Jahre, so wären
4 Tage länger uns recht gewesen." Doch Monsch konnte nicht wissen, wie

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