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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 606
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nem Halbbruder, dem jedes Ehrgefühl abgeht, muß der Vater eines Tages
erfahren, daß er zum Gaudium seiner Klasse allen 36 Mitschülern zum Honorar
von je einem Pfennig — die Schuhe abgeschleckt hat! Und gerade
zwölf Jahre alt läßt Dinter seinen kindlichen Demonstrationspopanz werden
, bis er ihn auch noch der letzten Niedertracht für fähig hält — jenes
rasseschänderischen Treibens, auf das sich bereits sein Großvater im großen
Stile verstanden hat.

Doch auch als beide Söhne beim Baden ertrinken, scheint Kämpfer den
Wink der Dinterschen Vorsehung noch nicht begriffen zu haben, die ihn dazu
bestimmt hat, sich von irdischen Liebesfreuden loszuringen, um „rein
und reif und stark zu werden für eine Liebe höherer Art, die nur im Geistigen
ihr Ziel und Ende sieht".26 Stattdessen fordert Kämpfer, der „vollsaftige
Mensch und Mann in der Vollkraft seiner Jahre"27, noch einmal das
Recht auf Liebe und gerät abermals an eine blonde, aber vor Jahren von einem
jüdischen Offizier sitzengelassene Frau. Daß auch dieser neue Kasus
den arischen Reinheitsgeboten widerspricht, ahnt man jetzt schon fast:
„Aber zu seinem und seiner Frau Entsetzen geschah das ganz Unfaßliche,
ganz Ungeheure, sie gebar ein Kind mit schwarzem Kraußhaar, dunkler
Haut und dunklen Augen, ein echtes Judenkind. Hermann brüllte auf wie
ein zu Tode getroffener Stier, als er seiner ansichtig wurde. Dirne!, schrie
er seiner Frau entgegen. Wie vom Blitz erschlagen sank sie unter diesem
vernichtenden Wort in ihrer Leibesnot zusammen... Das Rätsel löste sich
aber, als Hermann folgendes erfuhr: Es ist ein bedeutungsvolles und in der
Tierzucht ganz bekanntes Rassegesetz, daß ein edelrassiges Weibchen zur
edeln Nachzucht für immer untauglich wird, wenn es nur ein einziges Mal
von einem Männchen minderwertiger Rasse befruchtet wird.. . Nun ermesse
man den Schaden, der jahraus jahrein der deutschen Rasse durch die
Judenjünglinge zugefügt wird, die alljährlich tausende und abertausende
deutscher Mädchen verführen!"28

Hermann Kämpfer erpreßt daraufhin von seiner Frau den Namen des jüdischen
Offiziers und schießt ihn nieder, als dieser sich der Forderung nach
Genugtuung entzieht — heimkehrend aber findet er die Leiche seiner Frau
und die seines Kindes. Versucht Dinter den Wunsch sexueller Entsagung
mit der angeblich jüdischen Geilheit und Zügellosigkeit zu kontrastieren, so
knüpft er an den Prozeß, der Kämpfer seines Mordes an dem jüdischen Offizier
nun gemacht werden soll, die religiös motivierte Idee freiwilliger
Selbstopferung. Doch die Rolle des Märtyrers, in die er zu schlüpfen versucht
, wird ihm durch einen Freispruch verweigert — durch einen Coup der
Anwälte und Sachverständigen, die allesamt Juden sind. Immerhin funktioniert
Kämpfer in Dinters Namen den Prozeß zum Tribunal gegen das
Judentum um — und so ist er dazu verurteilt, noch einmal an verquerem
Wissen und an Hirnverbranntheit, an sektiererischer Verbohrtheit und an
pathologischem Schwachsinn zusammenzufassen, was ihm sein Erfinder

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