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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 608
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Dinters Buch — und mit ihm die beiden anderen Bände seiner Trilogie —
als blutrünstigen Rassenkitsch niedrigsten „geistigen" Zuschnitts zu charakterisieren
, reicht diese eingehende Inhaltswiedergabe aus. Bereits mit ihrer
Hilfe läßt sich das Fazit verstehen, das der Theologieprofessor Hermann
L. Strack aus seiner Kritik an Dinters Roman in einer zeitgenössischen Entgegnung
gezogen hat: daß Dinters Buch nämlich ,,eine Sünde (sei) wider
die Kunst, wider die Wissenschaft und wider das Vaterland".30 Und Thomas
Mann urteilte über Dinters Machwerk, er könne wohl sagen, ,,so etwas
Wüstes, wie den Dinter, noch nicht unter meinem Dach" gehabt zu haben;
„dichterisch völlig wertlos, schlechteste Kolportage-Romantik, ist es in geistiger
Hinsicht gefährlich durch die Mischung von Halbwahrheiten und Fälschungen
, die es darstellt".31 Dinter hat die literarische Kunstform in ihrer
Eigengesetzlichkeit in keinem Punkte ernstgenommen, sondern sie stets nur
ins Prokrustesbett seiner wahnhaften Vorstellungen gespannt und an ihr die
Verranntheiten seiner arischen Erbkasuistik durchgespielt. Mit seiner unsäglichen
Häufung stereotyper Klischees löst er haargenau ein, was Eva G.
Reichmann als das Kennzeichen fanatisch-antisemitischer Einstellung und
Agitation bezeichnet hat: ,,Wir wissen, daß sich die völkische Lehre im jüdischen
Element gleichsam ein Symbol für all das zurecht gemacht hat, was
ihr an der Gegenwartsentwicklung hassenswert erscheint, daß sie nicht einfach
alles wirklich Jüdische ablehnt, sondern daß sie alles das jüdisch
nennt, was sie verdammen zu müssen glaubt. Alle Kehrseiten der Zivilisation
, alle typisch großstädtischen Erscheinungen, alle Sumpfblüten der
Wirtschaftsnot werden dem jüdischen Bevölkerungsteil auf das Schuldkonto
gebucht..."32. Der antisemitische Agitator schaltet soziale und historische
Erklärungsmomente bewußt aus, um stattdessen scheinbar unangreifbare
Beweisketten für „jüdische Zersetzung" präsentieren zu können; auch Dinter
versuchte auf diese Weise „an das breite Volk" und „insbesondere an
unsere (?) Frauen heranzukommen (!)".33 Mit diesem Akt wahrhaft unsittlicher
Annäherung unterscheidet sich Dinter vom Typus des „harmlosen
Unterhaltungsschriftstellers"; im Gegensatz zu diesem ist ihm erklärtermaßen
daran gelegen, „unmittelbarer Wirkungen"34 wegen „sehr zielbewußt
in Fraktur und im Plakatstil"35 zu schreiben. Diese Wirkungen mit seinen
Büchern in sehr großer Zahl hervorgebracht zu haben, versteht er einerseits
als Beweis seiner Auffassung, daß der Roman „das wirksamste Mittel"36
hierzu darstellt; andererseits leitet er daraus den „hohen Wert einer volkstümlichen
Literatur" ab. Diese Verquickung von quantitativen und qualitativen
Kriterien mag kennzeichnend sein für Dinters missionarisches
Eiferertum, welches die Demagogieanfälligkeit politisch und weltanschaulich
verunsicherter Schichten mit Volkstümlichkeit in eins setzt. Unter
letzterer aber scheint Dinter nichts anderes zu verstehen als eine hemmungslose
Senkung des Niveaus. Auf den Vorwurf, zu dick aufzutragen
und in seiner ganzen Darstellung zu brutal zu sein, antwortet er: „Jawohl,
meine Herren (?), das tue ich und das bin ich. Und zwar sehr absichts-

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