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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 614
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verkörpern".57 Dinter verstand es in den folgenden Bemühungen, die verworrene
kirchenpolitische und religiöse Situation für eine Erweiterung der
organisatorischen Strukturen seiner Kirche zu nutzen und deren Mitgliederstand
- nach eigenen Angaben — auf 300000 Anhänger auszubauen. Begleitet
war dieser Ausbau von einem Einschwenken Dinters auf die Linie
des nationalsozialistischen Parteiprogramms, wonach „das positive Christentum
die sittlich-religiöse Grundlage des nationalsozialistischen Volksstaates
sein und bleiben soll.. ,"58, ja Dinter rückte seine Kirche gar in
eine erklärte Dienerschaft gegenüber dem Nationalsozialismus.

Erklärungen und Zugeständnisse wie diese kennzeichnen ein Verhalten, das
„zwischen Anbiederung und geistiger Selbstbehauptung hin und her
schwankte"59; auch mit ihrer Hilfe jedoch konnte Dinter seine „Deutsche
Volkskirche" nicht vor dem Verbot bewahren. Dieses war, seit Hitler seine
auf die Verdrängung des Religiösen zielende Politik der Entkonfessionali-
sierung betrieb, denn auch nur noch eine Frage der Zeit. Nachdem zunächst
Verbote gegen kirchenpolitische Versammlungen Dinters ausgesprochen
worden waren, folgte im Frühjahr 1936 das Verbot der Monatsschrift „Die
Deutsche Volkskirche" und ein Jahr später das der Religionsgemeinschaft
selbst. Dinter wurde aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen,
was faktisch Publikationsverbot bedeutete; seine Bücher wurden beschlagnahmt
. Der Mohr hatte seine propagandistische Schuldigkeit als ideologischer
Zutreiber getan und konnte, diesmal endgültig, in die Wüste geschickt
werden.

An diesem Punkt seiner Biographie setzt Dinters letzter Lebensabschnitt
ein. Auf der Suche nach einem Ort, der ihn gegen die Nachstellungen der
thüringischen Staatssicherheit sichern sollte und an dem er sich wieder seiner
religiösen Schriftstellerei widmen konnte, wandte sich Dinter im September
1937 mit seiner Familie (seiner Frau Elisabeth und den zwischen
1922 und 1930 geborenen Söhnen Armin, Wolf Dietrich und Siegfried) nach
Zell a. H.ftl) Hatte Dinter noch nach der Machtergreifung „öffentlich die
unmoralischen, diktatorischen Methoden des NS-Regimes"61 verurteilt, so
nahm nun seine innere Distanz auch gegenüber den Methoden von dessen
Judenpolitik zu. Dies mag überraschen, war es doch wahrlich auch Dinters
Saat, die nun blutig aufging. Daß sich Dinter in seinen antisemitischen
Pamphleten stets für eine „gesetzliche", physische Gewaltanwendung nicht
in Betracht ziehende Behandlung der Juden ausgesprochen hatte, konnte
hinter der Aggressivität seiner Schriften und ihrer Formulierungen, der Abgefeimtheit
seiner Bilder und Vergleiche nur zu leicht verborgen bleiben.
Woher hätten etwa die Leser seiner Trilogie, auf deren mangelndes oder
fehlendes Unterscheidungsvermögen die Dintersche Primitivität ja gerade
berechnet war, auch die Gewißheit beziehen sollen, daß gegen diese Volksfeinde
nicht auch letzte Mittel erlaubt seien?

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