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konnte die NSDAP stellen, in der Mehrzahl Vertreter des Mittelstandes:
drei Kaufleute, zwei Metzgermeister, ein Mechaniker, ein Geschäftsführer,
ein Lehrer, ein Kartonager und ein Fabrikant waren die Kandidaten. Vier
von ihnen erhielten ein Mandat, was bei einer Gesamtzahl von vierzehn
Stadtratssitzen eine beachtliche Anzahl darstellt.62 Kurz sei noch die Arbeit
dieser ,.Volksvertreter" betrachtet. Das vorliegende Material legt den
Schluß nahe, daß sich ihre „parlamentarische Arbeit" wohl an ihren Vorbildern
im Landtag orientierte63, bzw. sie sich an die Richtlinien und Weisungen
der Partei hielten: Agitation, Verächtlichmachung der Demokratie und
Bekämpfung des verhaßten „Systems" von innen waren die Ziele. Bereits
im Januar 1931 veröffentlichte das Grüselhorn die Diätenabrechnung der
nationalsozialistischen Stadträte, um diese deutlich von den „korrupten
Vertretern des Systems" zu unterscheiden.64 Ein Antrag der NSDAP-
Fraktion vom 4. Dezember 1930 ist auch nur als propagandistische Maßnahme
zu werten: Der Oberbürgermeister der Stadt, Wolters, sollte auf
einen Teil seines Grundgehaltes verzichten.65
Ein weiteres Indiz für die Erstarkung der Ortsgruppe Lahr ist die Aufstellung
eines SS-Trupps am 2. November 1930 durch den Führer der badischen
SS, Heidt. Auch wenn die badische SS bis 1933 keine besondere Rolle innerhalb
der NSDAP spielte, so muß sie im Zusammenhang mit Lahr doch
erwähnt werden.66 Der Hauptlehrer und spätere Ministerialrat im Badischen
Unterrichtsministerium Georg Heitz führte zunächst den aus drei
ehemaligen Freikorpsangehörigen und zwei „überaus tüchtig [en]" Parteigenossen
gebildeten SS-Trupp. Heidt stieg später zum Sturmbannführer und
Chef der Standarte Südbaden auf, während sein ehemaliger Trupp bis Januar
1931 auf Sturmstärke anwuchs.67 Nach Angaben Hetzeis war die SS
mit der NS-Frauenschaft die einzige geschlossene Formation der Partei, die
1932, in der Zeit der Parteikrise, der NSDAP die Treue hielt.68 Auf dieses
Ereignis muß noch gesondert eingegangen werden.
Ein Jahr später suchten die Nationalsozialisten in Lahr die NSBO (Nationalsozialistische
Betriebszellenorganisation) zu etablieren. Dies muß mit
erheblichen Anstrengungen und mäßigen Erfolgen verbunden gewesen sein.
Hetzel klagt, daß „alle Schaffenden in den roten und schwarzen Gewerkschaften
organisiert waren".69
4. Der Weg zur Massenpartei
Noch 1929 nahm man im Kreise der politischen Gegner die Hitler-Partei
nicht allzu ernst. Für den Lahrer Anzeiger ist der Gegner von „links"
wesentlich gefährlicher. Bezüglich der Nationalsozialisten stellt das Blatt
höchstens die Frage: „Wie lange noch?"70 oder vermerkt sorgenvoll, daß
dieser Nationalsozialismus eine beträchtliche innere Verwandtschaft zum
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