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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 646
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0646
I. Kriegsgefangene in der Ortenau

Wie Frau B. wurden viele Deutsche wegen verbotenen Umgangs mit
Kriegsgefangenen verurteilt. Die Wahrscheinlichkeit, wegen dieses erst
nach Kriegsbeginn geschaffenen Delikts angeklagt zu werden, war groß.
Die Gefangenen aus dem Feldzug gegen Frankreich waren ebenso wie im
Herbst zuvor die in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen Polen zu Hunderttausenden
zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschafft worden. Die
Polen hatte die Wehrmacht noch im Herbst 1939 ins Reich deportiert, rechtzeitig
zur Kartoffelernte. Ein knappes Jahr nach Kriegsbeginn arbeiteten in
vielen badischen Gemeinden Kriegsgefangene: in der Landwirtschaft, bei
Gärtnereien und im Straßenbau — und bald auch in der Industrie, vor allem
in der Rüstungsproduktion, deren wichtigste personelle Ressource sie zusammen
mit den ausländischen Zivilarbeitern wurden, von denen die Mehrzahl
ebenfalls nicht freiwillig nach Deutschland zum ,,Arbeitseinsatz"
gekommen war.

Was in der Planungsphase des 2. Weltkriegs noch als vorübergehende Notlösung
für die dringendsten Engpässe auf dem deutschen Arbeitsmarkt konzipiert
worden war, wurde schließlich unter dem Begriff Ausländer-Einsatz.
zu einem bestimmenden Merkmal der deutschen Kriegswirtschaft. Ohne
Ausländer hätte die Landwirtschaft schon 1940 die Ernährung nicht mehr
sicherstellen können, und die Rüstungsindustrie wäre seit 1941 nicht mehr
in der Lage gewesen, die Wehrmacht ausreichend mit Kriegsgeräten und
Munition zu beliefern.2 Denn Arbeitskräfte waren in Deutschland schon
vor dem Krieg Mangelware gewesen. Die forcierte Aufrüstung seit 1936
hatte den Arbeitsmarkt leergefegt und einen Engpaß an Arbeitern, vor allem
an Metallfacharbeitern, entstehen lassen. Bei Kriegsbeginn waren die Arbeitskräftereserven
ausgeschöpft. Die Nachfrage der Wirtschaft nach Arbeitern
und der Bedarf der Wehrmacht an Soldaten standen während des 2.
Weltkriegs ständig in Konflikt, vor allem, als nach dem Beginn des Kriegs
im Osten immer neue Jahrgänge eingezogen wurden, die damit als Arbeiter
für die Rüstungsproduktion und die Sicherung der Ernährung ausfielen.

Die allgemeine Arbeitspflicht für die deutschen Frauen einzuführen, unterließ
das NS-Regime aus einer Reihe von Gründen. Zum einen aus ideologischen
, weil Frauen in den Augen der nationalsozialistischen Ideologen an
den Herd und ins Kindbett und nicht an die Werkbank gehörten. Andererseits
aus wirtschaftspolitischen, denn bei einer Ausweitung der Frauenarbeit
hätte sich das niedrige Lohnniveau für Arbeiterinnen während der
Rüstungskonjunktur der Vorkriegsjahre nicht halten lassen. Eine Anglei-
chung an die Löhne der Männer war aber weder aus wirtschaftlichen noch
aus ideologischen Gründen opportun. So war im Reichsdurchschnitt während
des Krieges nur jeder vierte Beschäftigte eine Frau, ein Anteil, der
sich trotz aller Mobilisierungskampagnen nicht wesentlich änderte.

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