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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 653
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Er bestätigte die Aussagen von Frau R., die — wohl in der Hoffnung auf
eine mildere Strafe — der Gestapo die Namen mehrerer Frauen angegeben
hatte, die ebenfalls Beziehungen zu Franzosen hatten. Im Lauf der nächsten
vier Wochen wurden auf Grund der Aussagen von Frau R. und der Ermittlungen
der Gestapo, die inzwischen zahlreiche Arbeitskollegen vernommen
hatte, elf weitere Frauen in Schutzhaft genommen.28 Wegen Verstoßes gegen
§ 4 der Wehrkraftschutzverordnung erließ die Strafkammer des Landgerichts
in allen Fällen Haftbefehl. Über diese verbotenen Beziehungen am
Arbeitsplatz ließ sich einige Wochen später das Gericht in seiner Urteilsbegründung
gegen eine der Verhafteten, die zweiundzwanzigjährige Hilfsarbeiterin
Paula B. folgendermaßen aus: ,, In der Firma P. in Z. arbeitete sie
zusammen mit mehreren anderen deutschen Arbeiterinnen in einem Saal,
in welchem auch französische Kriegsgefangene beschäftigt waren. In ihrer
unmittelbaren Nähe arbeitete der französische Kriegsgefangene D. Im Juli
und August 1941 hat ihr dieser Kriegsgefangene während der Arbeit wiederholt
zugelächelt. Sie hat sein Lächeln erwidert. Nach einiger Zeit traf sie
auf der Nachtschicht auf dem Weg zu ihrem Umkleideraum den französischen
Kriegsgefangenen D. auf der Treppe. D. küßte sie hierbei auf den
Mund. In der Folgezeit ließ sie sich noch etwa 3 Male von D. küssen. Einmal
schenkte sie ihm ein Zuckerbrötchen. Ein andermal ließ sie durch die
Mitarbeiterin Henriette S. die Worte ,Mon cherie' in sein Arbeitsbuch
schreiben. Ein Nachweis hierfür, daß es zu weiteren Beziehungen zwischen
ihr und D. gekommen ist, fehlt. Die Angeklagte hat somit vorsätzlich gegen
eine zur Regelung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassene Vorschrift
verstoßen."

Am 11. September 1942 verhandelte die II. Strafkammer gegen die zwölf
Frauen einzeln und im Schnellverfahren. Die Urteile lauteten auf sechs bis
acht Wochen Gefängnis, auf die die Untersuchungshaft angerechnet wurde.
Strafmildernd wurde bei allen berücksichtigt, daß es sich nicht um schwere
Fälle gehandelt habe, da keine intimen Beziehungen nachweisbar seien.
Allerdings rechnete das Gericht es einigen Frauen als strafverschärfend an,
daß sie gleich zu zwei Franzosen Beziehungen eingegangen waren — sie erhielten
10 Wochen. Alle Verurteilten mußten die Prozeßkosten in Höhe von
etwa 130 Mark bezahlen — das entsprach dem Bruttolohn, den sie für zwei
Monate Arbeit erhielten.

Im Schnellverfahren wurden auch die Urteile produziert, deren Wortlaut
weitgehend übereinstimmte. Zum Strafmaß hieß es im Urteil gegen Paula
B.: „Bei der Strafzumessung war zu berücksichtigen, daß die Angeklagte
darüber wohlunterrichtet war, daß der Verkehr mit Kriegsgefangenen verboten
ist, soweit er sich nicht über das Notwendigste, das die Arbeit erfordert,
beschränkt. Sie wußte auch, daß es für ein deutsches Mädchen ein unwürdiges
Verhalten darstellt, sich mit einem Kriegsgefangenen in geschlechtlicher
Beziehung einzulassen. Zu ihren Gunsten mußte jedoch berücksichtigt wer-

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