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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 663
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mann sichtbar aus der ..Volksgemeinschaft" aussonderte. Weitere Faktoren
der Abschreckung stellten die Gerichtskosten, der Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte, die Anprangerung durch die Presse, die Zerstörung von dörflichen
und ehelichen Beziehungen und schließlich die Ruinierung selbständiger
, vor allem bäuerlicher, Existenzen dar.

Die exemplarischen Fallstudien haben gezeigt, daß sich der § 4 der Wehrkraftschutzverordnung
in erster Linie gegen Frauen richtete, genauer gesagt
: gegen deren individuelles Recht auf Liebe, und weniger gegen die
Sabotage der Wehrkraft. Diese Stoßrichtung wird noch deutlicher, wenn
man den Anteil der auf der Grundlage dieses Paragraphen verurteilten Männer
gegen den der Frauen hält: hier stehen drei Männer 70 Frauen gegenüber
. Was die Verordnung eigentlich verhindern sollte, Fluchtbeihilfe zum
Beispiel, stand nur einmal zur Verhandlung, verbotener Schnapsverkauf
durch einen Gastwirt ebenfalls einmal, Lebensmittelhilfe sechsmal, dagegen
64 Mal eine Liebesbeziehung oder ein Verhalten, das vom Gericht als
solche gedeutet wurde.

Uber jeder Frau hing damit das Damoklesschwert von Gefängnis, Zuchthaus
, öffentlicher Schande und Ächtung. Mit der Sanktionierung jeglicher
näherer Beziehung zu Kriegsgefangenen hatte das Regime ein Terrorinstrument
in der Hand, mit der es abweichendes Verhalten, auch wenn seine Motive
völlig unpolitisch waren, im Keim ersticken konnte. Aber daß es zu
einer Verhandlung kam, dazu mußten die entsprechenden Beweismittel vorliegen
. Und diese Beweismittel, Geständnisse in aller Regel in Verbindung
mit belastenden Zeugenaussagen, hatte die Geheime Staatspolizei geliefert.
Diese wiederum konnte erst eingreifen, wenn ihr Hinweise, zumindest ein
vager Verdacht, vorlagen. Daß das der Fall war, dafür sorgten immer wieder
die Denunzianten.

Denunzianten

Nur selten war es unvermeidlich, daß Polizei und Justiz Kenntnis von der
Beziehung zwischen einer deutschen Frau und einem Kriegsgefangenen erhielten
. Das konnte etwa der Fall sein, wenn eine ledige Frau ein Kind gebar
, dessen Vater sie nicht angeben konnte, und das Gesundheitsamt deshalb
Nachforschungen anstellte. Die übliche Auskunft über den Vater, es sei ein
deutscher Soldat, eine flüchtige Beziehung, der inzwischen mit unbekanntem
Ziel verlegt worden sei, erregte stets den Verdacht der Behörden, die
daraufhin versuchten, einen Kriegsgefangenen als Vater zu ermitteln — was
oft gelang. Aber insgesamt waren solche eher zwangsläufigen oder zufälligen
Verdachtsmomente selten. Am häufigsten kamen Frauen ins Gefängnis
oder ins Zuchthaus, weil sie denunziert wurden.

,,G., 21.4.43. Ich möchte nur kurz mitteilen, daß das Frl. H. und Frau L.
Liebesbeziehungen zu dem Franzosen Lui haben. Frau L. hat sie schon ge-

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