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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 664
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habt, als ihr Mann vor Wochen noch auf der E. war. Soviel ich weiß, liegt
der Franzose im Lazarett. Fragen Sie nur einmal die anderen auf dem Lehrgut
E., die werden auch manches erzählen können. Heil Hitler!"46 Dieses
Schreiben erhielt die Staatsanwaltschaft Offenburg im April 1943 ohne Absenderangabe
, gleichzeitig ging bei der Gendarmerie in G. ein ebenfalls
anonymes Schreiben mit dem selben Wortlaut ein. Auf Grund solcher anonymer
Mitteilungen wurde eine ganze Reihe von Frauen angeklagt, andere
auf vertrauliche Mitteilungen von Personen hin, die der Gestapo zwar bekannt
waren, von ihr aber nicht aktenkundig gemacht wurden. In den meisten
Fällen läßt sich jedoch die Identität des Denunzianten den Akten
entnehmen. Denunziation zog sich wie eine Seuche quer durch die Bevölkerung
: Männer und Frauen, Bauern und Schulrektoren, Parteifunktionäre
und Wehrmachtsangehörige, Arbeitskollegen und Nachbarn finden sich unter
denen, die bedenkenlos und im vollen Bewußtsein, was sie da anrichteten
, ihre „Volksgenossen" an Gestapo und Justiz auslieferten. Nur allzu
viele, die sich als „anständige Bürger" betrachteten, machten sich den faschistischen
Repressionsapparat zunutze, um alte Rechnungen zu begleichen
oder um jemandem etwas heimzuzahlen. Das war auch die Erkenntnis
eines Referenten des RSHA, der bei seiner Vernehmung nach dem Krieg zu
Protokoll gab, daß solche Anzeigen ,,oft von den Deutschen aus niedrigen
Motiven der Eifersucht, der Rachsucht, der Mißgunst oder des Nachbarschaftsstreites
unter Deutschen erstattet wurden."47 Daß ein Ortsgruppenoder
Kreisleiter der NSDAP seine Beobachtungen weiterleitete, mag weniger
verwundern. Aber bisweilen war es ein Bruder, der seine Schwester,
oder der Ehemann, der seine Frau bei der Gestapo anzeigte.48

Schutzhaft

Für die meisten Frauen begann die Erniedrigung durch den NS-Justiz-
apparat mit der Schutzhaft im nächsten Gerichtsgefängnis, in das sie nach
der Verhaftung durch die Gestapo eingeliefert wurden. Hierfür waren ein
vager Verdacht oder eine anonyme Anschuldigung ausreichend. Unter
Berufung auf die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar
1933, die die verfassungsmäßigen Grund- und Freiheitsrechte außer
Kraft setzte, hatte das NS-Regime die Schutzhaft zur vorbeugenden Bekämpfung
seiner Gegner eingeführt und längst auf nichtpolitische Vergehen
ausgeweitet. Die Schutzhaft unterlag als vorbeugende Polizeimaßnahme
keiner gesetzlichen Beschränkung. „Bei Verhängung der Schutzhaft stand
es völlig im Belieben der Polizei, ob sie einen Festgenommenen in Schutzhaft
behalten und in ein Konzentrationslager überstellen wollte oder ob sie
ihn den Justizbehörden zuführte. Aber selbst im letzteren Falle blieben alle
gesetzlichen Fristen und Vorschriften außer acht, die Polizei behielt den
Festgenommenen so lange in Schutzhaft, bis sie mit ihren Ermittlungen

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