Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 665
(PDF, 143 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0665
fertig war oder sonst den Zeitpunkt für gekommen erachtete, ihn nunmehr
an die Justiz herauszugeben."49 Nur wenige Frauen blieben bis zur Verhandlung
auf freiem Fuß.

Im Gestapo-Verhör

Kurz nach der Verhaftung erschien ein Beamter der zuständigen Gestapo-
Außenstelle in der Zelle und verhörte die Angeschuldigte. Die meisten Verhöre
führte der Gestapobeamte Rieth von der Außenstelle Offenburg durch,
ein Mann Anfang 40, der um die Jahreswende 1941/42 vom Kriminal-
Oberassistenten zum Kriminalsekretär befördert wurde. Ziel des Verhörs
war ein Geständnis, und Rieth war erfolgreich: Fast immer gestanden die
Frauen die gegen sie erhobenen Anschuldigungen ein, wenn auch oft erst
nach anfänglichem Leugnen — dann schrieb Rieth in seinem Vernehmungsbericht
, die Angeschuldigte mache einen „unglaubwürdigen und ungünstigen
Eindruck".50 Die Verhörmethoden von Rieth waren für die Frauen
eine einzige Erniedrigung. Auch wenn ihnen selbst nach NS-Maßstäben nur
Bagatellen vorzuwerfen waren, setzte er sie so lange unter Druck, bis sie
zusammenbrachen. ,,Während der Vernehmung hat sie wiederholt unter
Tränen beteuert, daß sie ihren begangenen Fehler schwer bereue", war ein
häufiger Satz in seinen Protokollen.5' Manches Verhör mußte er unterbrechen
, weil sein Opfer nicht mehr in Lage war weiterzusprechen.52

Ob Rieth die Frauen körperlich mißhandelte, um Geständnisse zu erzwingen
, läßt sich seinen Protokollen natürlich nicht entnehmen. Zumindest
schöpfte er alle anderen Möglichkeiten aus. Bei der Vernehmung konfrontierte
Rieth jede Frau mit der Anschuldigung, sie habe mit dem Kriegsgefangenen
intime sexuelle Beziehungen unterhalten: Das war es, was er in
jedem Fall hören wollte. Gab sie aber nichts zu oder lediglich eine Bagatelle
, oder verstrickte sie sich gar in Widersprüche, dann trieb Kriminalsekretär
Rieth sie gnadenlos in die Enge: ,,auf Vorhalt, auf erneuten Vorhalt, auf
wiederholten Vorhalt, zur Wahrheit ermahnt, ernstlich zur Wahrheit ermahnt
, eindringlich zur Wahrheit ermahnt", habe die Angeschuldigte dies
oder jenes zugegeben — so lauten die immer wiederkehrenden Standardformulierungen
, die Aufschluß geben, wie Rieth die Frauen behandelte. Es
steht außer Zweifel, daß er brüllte, tobte und drohte, um das Gewünschte
aus seinen Opfern herauszupressen. Frau L., deren Fall ich oben geschildert
habe, gab in ihrer Verzweiflung alle Unterstellungen Rieths zu, damit
er sie endlich in Ruhe ließ. Später widerrief sie ihr Geständnis vor dem
Staatsanwalt - das Gericht glaubte ihr den Widerruf, nicht das Geständnis
.53

Kriminalsekretär Rieth begnügte sich aber nicht mit allgemeinen Geständnissen
, die für eine Verurteilung ausgereicht hätten. Seine Spezialität waren

665


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0665