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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 666
(PDF, 143 MB)
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intime sexuelle Details; er ließ erst von seinen Opfern ab, wenn sie ihm genau
geschildert hatten, wann, an welchem Ort, wie oft, in welcher Stellung,
unter was für Umständen und mit welchen Empfindungen sie mit ihren Partnern
geschlafen hatten. Die Aussage einer 26jährigen Frau liest sich im Vernehmungsprotokoll
folgendermaßen: „Soviel ich in Erinnerung habe, übte
ich mit dem Kriegsgefangenen den Geschlechtsverkehr anfangs August das
letzte Mal aus. Dabei wehrte ich mich aber so heftig, daß der Franzose den
Geschlechtsverkehr nicht ganz zur Ausführung bringen konnte. Dazu muß
ich bemerken, daß der Franzose den Geschlechtsverkehr nicht ausführen
konnte, obwohl er sein Glied an meine Scheide brachte und infolge meiner
Gegenwehr sein Glied in meine Scheide nicht einführen konnte."54 Es ist
sehr unwahrscheinlich, daß sie diese Einzelheiten freiwillig und ohne Not
preisgab.

Außer den Beschuldigten vernahmen Rieth und seine Kollegen von der Offenburger
Gestapo-Außenstelle, die Kriminalsekretär Leber leitete55, eine
Reihe von Zeugen, um weitere belastende Aussagen zu erhalten. Mit Hilfe
dieser Vernehmungsergebnisse erwirkte der Staatsanwalt einen Haftbefehl,
worauf die Schutzhaft aufgehoben und die Beschuldigte in Untersuchungshaft
genommen wurde. Nach der Vollstreckung des Haftbefehls vergingen
in der Regel sechs Wochen bis drei Monate bis zum Beginn der Hauptverhandlung
. Wenn Geschlechtsverkehr nicht eindeutig nachgewiesen werden
konnte, ließ die Staatsanwaltschaft beim Staatlichen Gesundheitsamt Offenburg
ledige Frauen auf ihre Jungfräulichkeit untersuchen. Frauen, die
intime sexuelle Beziehungen zugaben, wurden dagegen untersucht, um festzustellen
, ob sie eine Abtreibung versucht oder ausgeführt hatten — der
Verdacht auf Abtreibung tauchte routinemäßig im Gefolge des verbotenen
Umgangs mit Kriegsgefangenen auf.

Generalprävention und ,,kurzer Prozeß"

Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen hatte das Reichsjustizministerium
die Rechtsprechung verschärft. Um die „innere Front" zu stabilisieren
und die Disziplin der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, ersannen
Reichsjustizminister Gürtner und Staatssekretär Freisler, der spätere Präsident
des Volksgerichtshofs, den Begriff des „Willensstrafrechts": Fortan
wurde der Wille oder Vorsatz ebenso unnachsichtig geahndet wie die vollendete
Straftat. „Nicht die Besserung und die Wiedereingliederung des
Straftäters, sondern die generalpräventive Abschreckung durch extreme
Strafen und gegebenenfalls die Vernichtung von unverbesserlich erscheinenden
Verbrechern war also die Aufgabe, die Gürtner und Freisler den Strafgerichten
zuwiesen."56

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