Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 672
(PDF, 143 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0672
Die Bewachungsfrage darf kein entscheidendes Hindernis sein. Es ist nicht
befriedigend, wenn deutsche Frauen und Männer in Gießereien 10 und 12
Stunden arbeiten, während Zuchthäusler und KZ-Insassen Papierdüten kleben
und damit geradezu ausruhen."73 Von Tütenkleben konnte in Wirklichkeit
keine Rede sein, selbst Frauen mußten schwerste Arbeiten ausführen.
Dem Zuchthaus Hagenau war eine Schneiderei angeschlossen, die Kleidungsstücke
der Wehrmacht flickte. Daneben wurden die weiblichen Häftlinge
aber auch für Außenarbeiten eingesetzt, beispielsweise um Holz
zu verladen.74 Gegen Ende des Krieges wurden Zuchthausinsassen zur
Zwangsarbeit in spezielle Arbeitslager überstellt.73

Zur Freiheitsstrafe kamen die Gerichtskosten, die zwischen 120,— und
1200,— Mark betrugen76 — 1200,— Mark entsprachen etwa drei bis vier
Monatseinkommen einer gut verdienenden Familie; für eine Hilfsarbeiterin
war es mehr, als sie in einem, vielfach auch in eineinhalb Jahren verdienen
konnte. Das Gericht sah sich deshalb in den meisten Fällen veranlaßt, die
Zahlung der Gerichtskosten für die Dauer der Haft zunächst zu stunden,
und später die Zahlung auf Ratenbasis zu genehmigen.

Die Verurteilung zu einer Zuchthausstrafe führte zum Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte — nicht allein für die Dauer des Zuchthausaufenthalts,
sondern für mehrere Jahre danach. Das war mehr als nur eine formale Angelegenheit
, denn damit konnte eine Frau, die Jahre im Zuchthaus hinter
sich gebracht hatte, nun auch materiell an den Rand der Existenz gedrängt
werden. Eine Soldatenwitwe, die wegen verbotenen Umgangs mit einem
Kriegsgefangenen und Abtreibung zu zwei Jahren Zuchthaus und drei Jahren
Ehrverlust verurteilt, dann allerdings auf dem Gnadenweg vorzeitig aus
der Haft entlassen worden war, lebte nach ihrer Entlassung von monatlich
54 Mark Hinterbliebenenrente ihrer Kinder, da ihre Witwenrente gesperrt
blieb, solange der Ehrverlust in Kraft war. Ein Gesuch um Verkürzung des
Ehrverlusts lehnte die Oberstaatsanwaltschaft Offenburg ab.77

Die lokale Presse berichtete in skrupelloser Weise über Gerichtsverhandlungen
: „Schwere Zuchthausstrafen für ehrvergessene Frauen", lautete Ende
Januar 1942 eine Schlagzeile im Offenburger Tageblatt. Anläßlich
mehrerer Prozesse, bei denen das Landgericht Offenburg hohe Strafen verhängt
hatte, ließ sich das Blatt über den Zweck ausführlicher Presseveröffentlichungen
zu diesem Thema aus: „Man sollte annehmen, daß
allmählich der Letzte begriffen hat, wie er sich Kriegsgefangenen gegenüber
zu benehmen hat. Es hat wirklich nicht an deutlichen Ermahnungen
in der Presse und an Veröffentlichungen von Urteilen gefehlt, die für jeden
verständlich sind und ihre Wirkung doch nicht verfehlen konnten. Es gibt
aber immer noch Unbelehrbare, die erst dann zur Erkenntnis kommen,
wenn sie vor der Tatsache stehen, daß durch ihre Ehrvergessenheit nun ein
schweres Schicksal sie ereilt hat." Am Schluß der Meldung folgte eine erneute
Warnung an die Leser:

672


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0672