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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 493
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Den Schluß der Mummelsee-Episode, des längsten autonomen allegorischen
Erzählblocks innerhalb des Romans, bildet das Gespräch zwischen
Simplicissimus und dem Mummelsee-König. Dieser äußert zunächst unserem
Helden gegenüber seine Sorge vor einem baldigen Weltuntergang, dem
auch er und sein Volk zum Opfer fallen würden. Schuld daran seien die
Menschen, meint der König, vor allem die Christen, die den Lastern so
„schröcklich" ergeben seien, daß Gott die Welt im Feuer untergehen lassen
würde. Um sich ein genaueres Bild von der Welt zu machen, bittet er Simplicissimus
, ihm zu sagen, wie sich die Stände der Welt in ihrem Beruf hielten
, damit er daraus entweder den Weltuntergang oder ein langes Leben und
eine glückselige Regierung conjecturiren könne". Simplicissimus erfüllt
ihm gerne diesen Wunsch und entwickelt vor dem König ein Bild der
menschlichen Gesellschaft, das unschwer entweder als Utopie oder als eine
ironische Schilderung im Stile der verkehrten Welt zu erkennen ist. Wenn
nämlich Grimmelshausen seinen Helden die Welt als ein Paradies darstellen
läßt, so heißt dies nichts anderes, als daß die wirkliche Welt das genaue
Gegenteil davon ist und daß die von Simplicissimus geschilderte Welt erst
noch geschaffen werden muß.

Wie sieht nun die von Simplicissimus geschilderte Welt aus?

Simplicissimus beschreibt dem König seinem Wunsch gemäß die verschiedenen
Stände der menschlichen Gesellschaft, wobei er mit dem höchsten,
der Geistlichkeit, beginnt. Er schildert die Geistlichen als rechtschaffene
Verächter der Ruhe und als Vermeider der Wollüste, die arm an Hab und
Gut, dafür aber reich am Gewissen sind. Ebenso charakterisiert er die weltlichen
hohen Herren als gerechtigkeitsliebende Männer, die nur das Wohl
des Volkes im Auge haben. Die Kaufleute hinwiederum haben nur den Nutzen
ihrer Mitmenschen im Sinn, ohne auf schnöden Profit zu schielen.
Auch die Wirte, und Grimmelshausen als Wirt vom „Silbernen Stern" mußte
es ja wissen, treiben nur deshalb ihre Wirtschaft, um die hungrigen Reisenden
zu erquicken und deren Bewirtung als ein Werk der Barmherzigkeit
auszuüben. Die Ärzte denken nur an die Gesundheit ihrer Patienten, desgleichen
die Apotheker, und die Handwerker wissen von keinen „Vörteln,
Lügen und Betrug". Wucher ist in dieser idealen Gesellschaft ein Fremdwort
, christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit bestimmen das Handeln
der Menschen. Hoffart und Neid, Zorn und Unkeuschheit sind unbekannt
, ebenso Trunksucht, und wenn einer den andern mit einem Trunk
ehrt, so lassen sich beide mit einem christlichen Räuschlein begnügen.
Frömmigkeit und Gottesfurcht sind an der Tagesordnung, Kriege gibt es
nur deshalb, weil jeder meint, der andere diene Gott nicht recht. Dabei sind
aber die Soldaten wahre Tugendbolde, von „Kriegsgurgeln", die die Leute
berauben und verderben, keine Spur. Auch gibt es keine faulen Bettler, son-

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