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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 513
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Eichrodt ist nach all dem lediglich Mitverfasser. Gleichwohl wird er und
nicht etwa Kußmaul als der Namensgeber einer geschichtsträchtigen Ära
anzusehen sein35. Gemeint sind die Jahrzehnte zwischen Wiener Kongreß
und Ausbruch der Revolution, also 1815 bis 1848. Diese Biedermeierzeit
umschließt auf den ersten Blick jene beschauliche, hausbacken-spießbürgerliche
Idylle, die Spitzweg so trefflich auf seine Bilder zu bannen wußte.
Romantische Versenkung, zur Schau getragene Rechtschaffenheit, ideologische
Enthaltsamkeit kennzeichnen die damaligen Denkweisen. Man sucht
geselligen Umgang, legt Wert auf gesittete Manieren, offenbart gerne Gefühle
. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich da nur um Scheinrückzug in
eine schöne, heile Welt. Unterschwellig spüren, ja fürchten die Menschen
jene neuen Kräfte, die ihre tradierten Lebensgewohnheiten so grundlegend
umgestalten werden: die Industrialisierung mit Maschinenbau, Eisenbahnwesen
und Medienkonzernen einerseits, der bewegte politische Vormärz als
Wegbereiter eines demokratischen Parlamentarismus andererseits. Aus Daseinsangst
vor dem ungewissen Kommenden verbirgt sich Herr Biedermeier
in seinem engen Schneckenhaus. Dieser Eskapismus wird von Ludwig
Eichrodt ironisch überzeichnet und so entlarvt.

Spuren

Mit Beginn der neunziger Jahre kommt die Krankheit zu dem alternden
Oberamtsrichter. Im Mai 1891 berichtet er dem Karlsruher Justizministerium
, daß die Monate April und Mai nur einen Pseudofrühling gebracht hätten
, weshalb er auf ärztliche Anordnung nach Baden-Baden zur Kur übergesiedelt
sei. Doch sie verschafft nicht die erhoffte Besserung. Nach Hause
zurückgekehrt, wird Eichrodt im Juli 1891 für weitere Monate Dienstunfähigkeit
attestiert, denn zu anhaltendem Reden oder zu Treppensteigen
ist er nicht mehr imstande infolge von Atembeschwerden und geschwollenen
Füßen36. Am 2. Feburar 1892 gegen 12.45 Uhr - an seinem 65. Geburtstage
und zugleich seinem Hochzeitstage - verstirbt der Dichter in der
Lahrer Dienstwohnung. Weit über die Grenzen der Heimat hinaus löst die
Nachricht Trauer aus, viele deutsche Zeitungen widmen dem Toten ausführliche
Nachrufe37. Zahllose Mitbürger nehmen am 5. Februar trotz des
feuchtkalten, stürmischen Wetters an der Beisetzung teil, die der Gesangverein
Concordia mit dem Lied „Stumm schläft der Sänger" umrahmt. Und
die Lokalzeitung notiert im Stil der Zeit, „... daß mit Eichrodt einer jener
wenigen noch überlebenden Geister aus den glücklicheren Zeiten der deutschen
Literatur, wo die echte Lebensfreude noch gedieh, der Humor noch
das Dasein vergoldete, dahingegangen. Wir werden in unseren Zeiten der
sozialen Wirren schwerlich sobald seinesgleichen sehen"38.

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