Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 240
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Von Sigmund Bosch sind bislang fünf lange Lieder überliefert, die ihn als
aussagekräftigen Poeten ausweisen. Gerade bei den Täufern hatte er dabei
eine ganze Reihe gleichgesinnter „Zunftkollegen", und es kam sicher nicht
von ungefähr, daß Jörg Maler für seine Schriftenzusammenstellung den
Namen Kunstbuch gewählt hat. Maler selbst, aber auch die Täufer Lien-
hard Schienhere und Valentin Ickelsamer sind mit gereimten Stücken darin
vertreten95. Schienhere, Malers eigener Vetter, hatte sogar von diesem den
Titel „Poet von Augsburg" erhalten96. Leupolt Scharnschlager, ebenfalls
im Kunstbuch vertreten, hat Lieder gedichtet, ebenso wie der Württemberger
Marpeck-Schüler Hans Büchel91. Und schließlich hat Maler den Poeten
Sigmund Bosch an den Anfang seines Buches plaziert. Das konzentrierte
Auftreten von „Künstlern"98 im Kunstbuch ist sicherlich etwas
Außergewöhnliches, ja wohl sogar Einzigartiges in der Literatur der Täufer
. Es weist uns aber auch auf eine Forschungsspur, die die Wurzeln dieser
Glaubensgemeinschaft schon in den vorreformatorischen, spätmittelalterlichen
Strömungen der Mystik ausfindigzumachen sucht. Oder wie es Hein-
old Fast ausdrückt: „Eine solche Gruppe, die sich im Poetenhandwerk vereint
wußte und durch persönliche Bande verbunden war, könnte durchaus
auf eine ältere Tradition zurückgehen."99 Hinzuweisen wäre hier z. B.
auch auf die Beziehungslinie, die von dem Augsburger Mystiker und Meistersänger
Georg Breuning (um 1440-nach 1540) hin zu den Täufern
führt100. Mehr als interessante Einsichten vermittelte hierzu Ludwig Keller
schon zu Anfang unseres Jahrhunderts101. Er will eine direkte Verbindung
zwischen den humanistisch geprägten und oft kirchenkritischen Meistersingergesellschaften
und der Täuferbewegung nachgewiesen wissen. Laut
Keller war in den Singschulen der Meistersinger „ ein festes System selbständiger
, religiöser Überzeugungen... lebendig"102, welches einerseits
durchaus in Konflikt mit den bestehenden Ordnungen stand und andererseits
Nährboden für die Täuferbewegung sein konnte. Zumindest waren
gewisse Meistersinger auch bei den Brüdern der Täufergemeinden als Vorbilder
angesehen. Wir bewegen uns hier auf einem noch relativ unbeachteten
und unbearbeiteten Terrain der Forschung, und es wäre unangebracht,
vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Der sicher nur ausschnitthafte Blick auf
einzelne Personen darf nicht in allgemeine Folgerungen auslaufen. Dennoch
treten hier Traditionen ans Tageslicht, die auf religiöse und politische
Ideengebilde einige Jahre vor den großen reformatorischen Umwälzungen
zurückreichen und m. E. so gut wie noch gar nicht in der Täuferforschung
rezipiert wurden. Schließlich sprechen einige Hinweise dafür, auch den
Dichter Sigmund Bosch in den eben genannten geistesgeschichtlichen Zusammenhang
zwischen Meistersänger- und Täuferbewegung einreihen zu
dürfen. In einem seiner Lieder redet er in der letzten Strophe ausdrücklich
die Mitglieder der Singschule an, die dem Vortrag seines Meistergesangs
beigewohnt haben:

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