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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 244
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dem er nämlich die Texte ausgiebig mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen
Verhältnissen vergleicht. In Anlehnung an die eben genannten Bibelstellen
sind die Täufer diejenigen Auserwählten, die gezwungenermaßen
aus „der Welt" in „die Berge" geflohen sind, die sich nicht einmal mehr
umschauen dürfen, geschweige denn zurückkehren.

Nicht nur in diesem Brief, überhaupt war die intensive Betrachtung von
Texten, die die Endzeit betreffen, ein Schwerpunkt in Boschs exegetischen
Bemühungen. Es sind zu einem großen Teil die Bilder der neutestamentli-
chen Apokalypse, die hier immer wieder mit Vorliebe heraufbeschworen
werden. Hierfür ließen sich gehäuft beispielhafte Stellen gerade auch aus
den Liedtexten anführen121. Bosch bediente sich offensichtlich in gesteigertem
Maße der Methode der allegorischen Schriftauslegung. Er operiert
in überwiegender Form mit Bildern, Metaphern und Symbolen, meistens,
um damit die Übel der Welt zu beschreiben. So muß sich an einer Stelle
die Menschheit den Vergleich mit einer eigentlich goldgezierten Sau gefallen
lassen, die jedoch das Gold (= Gott) mit Dreck besudelt122, oder es
werden die altbekannten Bilder von „Sodom und Gomorrha" bzw. der
„Hure Babylon" als Entsprechungen benützt123. Eindrucksvollstes Exem-
pel dieser Art des Schriftgebrauchs ist jedoch Boschs Text zu Ein ander
schön Lied von der ausserwehlten braut Christi124. Bosch widmet sich hier
einer poetischen Interpretation des Hohe-Lied-Jhtmas aus dem Alten Testament
. Der Inhalt des „Hohen Liedes" - eine einfache Liebesbeziehung
zwischen einer Frau und ihrem Erwählten - wird auf die Zeit nach dem
Kommen Jesu Christi übertragen. Dieser ist der „Bräutigam" der die
christliche Kirche zur „Frau" nimmt125. Insofern benutzt Bosch hier die
Symbolsprache für ein ungleich schöneres Thema wie in den meisten
anderen Fällen. Seine allegorische Interpretation des Hohen Liedes lag
jedoch eindeutig im exegetischen „Trend der Zeit"126. Es war damals keinesfalls
etwas Außergewöhnliches, als Exeget die geschilderte Liebesbeziehung
auf Christus und seine Kirche umzudeuten. Eine Auslegung des
Gedichts etwa nach dem sensus litteralis (sensus carnalis; sensus histori-
cus) war unüblich und wurde sogar von manchen Autoren scharf verurteilt.
Die rein geistliche Lesart des Textes überwog bei weitem in den Kommentaren
; eine übertriebene Verwendung der Allegorie war das Normale127. Ob
hier innerhalb des Marpeck-Kreises nochmals eine gegenseitige Beeinflussung
stattfand, ist fraglich, aber dennoch nicht von der Hand zu
weisen.

Sigmund Boschs beeindruckende Bibelkenntnis läßt schließlich noch eine
weitere Vermutung hinsichtlich seiner Aufgaben innerhalb der Gruppe entstehen
: Vielleicht müssen wir in seiner Person auch einen derjenigen Mitarbeiter
Marpecks sehen, die mitverantwortlich für die gigantische Bibel-

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