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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 324
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Der politische Konflikt fand teilweise seine Entsprechung auf lokaler Ebene
in den Auseinandersetzungen zwischen Lehrerschaft und Geistlichkeit.
In Ulm war ein katholischer Verein gegründet worden, sehr zum Ärger des
dortigen Hauptlehrers Thum. In der Schule äußerte Hauptlehrer Thum „unkluge
Reden", trat „leidenschaftlich" gegenüber Vicar Droll auf und warf
ihn schließlich eigenhändig aus dem Schulzimmer hinaus. Darauf habe
sich „eine Partei Weibsleute" zusammengerottet und vom Bürgermeister
verlangt, „den Hauptlehrer Thum zum Dorf hinausschlagen zu dürfen".
Der Vicar spielte die „Rolle des Märtyrers"75.

Einen ähnlich starken Rückhalt wie in Ulm hatte die Kirche im Kirchspielhauptort
Nußbach. Dort waren Kaplan Adolf Wehrle und Hauptlehrer Joseph
Braun die Kontrahenten. Braun erregte sich über Äußerungen der Bevölkerung
, „es wäre gescheiter, wenn die Kinder das Gebetbuch oder den
Rosenkranz in die Hand nähmen statt das Lese- und Rechenbuch"76. Wehrle
war an zwei Tagen mit den Erstkommunikanten nach Zimmern und nach
Nesselried gewallfahrtet. Weil er verspätet mit den Kindern zur Schule
kam, wurden diese „dem Unterricht entzogen". Braun beschwerte sich
beim Kreisschulrat. Er veranlaßte auch, daß die von Wehrle eingerichtete
Kleinkinderschule verlegt werden mußte, weil sie den Schulbetrieb störte.
Braun beklagte ebenfalls, daß Wehrle seinen Bruder, der Unterlehrer in
Frickingen war, nach Nußbach bringen wollte, um seinen Einfluß noch
auszudehnen. Dieser sei ohnehin schon groß genug, da Wehrle einen Teil
der Pfarrverwaltung wahrnehme und die Leitung des Dritten Ordens in der
Gegend habe. Auch bei den gut besuchten St. Wendelswallfahrten hatte
Wehrle ein beträchtliches Forum77. Lehrer Braun sah sich in einer hoffnungslosen
Minderheitsposition und bemerkte resigniert:

Pfaffenverfolgung erlitt ich in meinem Leben schon so oft, daß ich
derselben überdrüssig bin; und wer solche nicht selbst da erlebte,
kennt sie nicht. Ich bin jetzt 32 Jahre Lehrer und glaube soviel verdient
zu haben, nicht mehr die Zielscheibe der Verfolgung eines
verschmitzten Jesuiten sein zu müssen.

Diese Äußerung offenbart die Emotionen, die damals die Gemüter bewegten
. Sie ist aber auch ein Beleg für das neue Selbstbewußtsein der Lehrerschaft
. Auf der anderen Seite läßt sich auch der Unterton an Selbstgerechtigkeit
nicht überhören.

Wie politisch darf, soll oder muß ein Lehrer sein? Diese Frage stellt sich
auch heute neu. In den 70er Jahren dieses Jahrhunderts waren viele
Pädagogen vom Geist einer neuen Aufklärungseuphorie und einer umfas-

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