Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 439
(PDF, 129 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1993/0439
unüblich, ja geradezu untersagt war36, vorgefertigte Reden abzulesen. Und
doch bezeugen die Landtagsprotokolle das hohe Niveau der Debatten, die
erst im Zeichen der Nationalsozialisten „Schlagfertigkeit" an die Stelle der
Argumente setzten, wie die Prügelszenen der radikalen Gegner im badischen
Landtag zeigen. Doch auch innerhalb der eigenen Partei gab es Meinungsverschiedenheiten
wie etwa bei Oskar Muser, der sich für Pazifismus
und Frauenstimmrecht einsetzte, als seine Parteifreunde dies noch entschieden
ablehnten. Auch Hermann Hummel war übrigens der Auffassung,
die Frauen hätten nicht zur Verbesserung der politischen Kultur beigetragen
, als ihnen das aktive und passive Wahlrecht zuerkannt wurde, womit er
die Situation sicherlich falsch einschätzte37.

Hummel ist in einem interessanten Augenblick in die badische Politik eingetreten
. Zentrum und Sozialdemokratie waren in der Gunst der Wähler
auf dem Vormarsch, und die regierende Partei der Nationalliberalen mußte
um ihren Führungsanspruch fürchten. Die Wahlrechtsreform von 1904, für
Baden mit der Schaffung neuer Wahlkreise und dem direkten Wahlrecht
verbunden, ließ die Möglichkeit einer Zentrumsmehrheit aufscheinen und
brachte ein Wahlbündnis zustande, das als der badische „Großblock"
berühmt geworden ist38. Die liberalen Parteien (Freisinn, Demokraten und
Nationalliberale), die sich schon im Vorfeld abgesprochen hatten, gingen
in der Landtagswahl von 1905 mit den Sozialdemokraten zusammen, indem
sie in den einzelnen Wahlkreisen denjenigen Kandidaten der einen
oder der anderen Partei begünstigten, der in der Lage war, über den Zentrumskandidaten
zu siegen. Die Sozialdemokraten wurden als das geringere
Übel angesehen, um die völlige Machtübernahme der katholischen Partei
zu verhindern. Dies klingt heute weniger grundsätzlich, als es damals
gewesen ist, doch kennzeichnet es gleichermaßen den Weg der Arbeiterklasse
zu politischer Akzeptanz wie die fundamentale Gegenposition der
Liberalen zur katholischen Volkspartei. Hummel schließt sich dem an,
wenn er das Zentrum seinem Wesen nach als undemokratisch und der Demokratie
unfähig ansieht. In der Tat hatten gerade die Abgeordneten
schwer darunter zu leiden, daß die katholische Mehrheit der ländlichen Bevölkerung
Badens beim sonntäglichen Kirchgang auf ihr Wahlverhalten
eingeschworen wurde, was regelmäßig zu Wahlanfechtungen führte39.
An diesem ersten Wahlkampf mit direktem Wahlrecht und Großblockbündnis
hat sich Hummel mit Vehemenz beteiligt und dabei so viel Popularität
gewonnen, daß ihm 1909 der 26. Wahlkreis die Kandidatur für die
Deutsche Volkspartei anbot40. Daß sein starkes Engagement bei einer betont
linken Partei seine Ernennung zum Professor im Jahr 1906 nicht verzögerte
oder gar verhinderte, sieht er als Beweis an „für das hohe Mass
von politischer Unvoreingenommenheit, welche in jenen Jahren in der badischen
Verwaltung herrschte", da die „Beurteilung meiner dienstlichen

439


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1993/0439