Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 447
(PDF, 129 MB)
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danach der Personalakte Hermann Kantorowicz beigeheftet7-. Das macht
diesen Aktenband zu einer überaus farbigen Quelle, die dem Historiker in
geballter Form Einblick in das politische Denken und die Mentalität nicht
nur der Universitätsangehörigen, sondern auch der Redakteure und Kommentatoren
der Zeitungen gibt und uns die mangelnde Akzeptanz der jungen
Republik in der Bevölkerung drastisch vor Augen führt. Kantorowicz,
1877 geboren, a. o. Professor an der Freiburger juristischen Fakultät, überzeugter
Demokrat im Sinne der DDP, hatte 1921 den Republikanischen
Lehrerbund mitgegründet, der eine die Demokratie bejahende Erziehung
der Jugend in der Schule zum Ziel hatte. Vor allem der Geschichtsunterricht
ließ jedoch in diesem Punkt viel zu wünschen übrig. Eine Revision
des nationalkonservativen Geschichtsbildes forderte Kantorowicz auch in
einer Rezension eines heute vergessenen Schulbuches mit dem Titel
„Schwarzrotgold", die am 13. November 1921 in den „Basler Nachrichten
" unter der Überschrift „Bismarcks Schatten" erschien. Dieser Artikel
rief den wütenden Protest nationalistischer, vor allem alldeutscher Kreise
hervor; als deren Exponent ritt der Freiburger Historiker Georg v. Below
eine scharfe Attacke gegen seinen jüngeren Universitätskollegen73, denn
dieser hatte es gewagt, an dem Idol des „Eisernen Kanzlers" Bismarck zu
kratzen, und die Ansicht vertreten, die machiavellistische Machtpolitik
Bismarcks und seiner Nachfolger habe in die Katastrophe des 1. Weltkriegs
geführt. Bismarck stehe für den alten Macht- und Obrigkeitsstaat
und tauge daher nicht als Leitfigur der jungen Republik und eines friedlichen
, demokratischen Europa.

Obwohl Kantorowiczs Urteil über Bismarck und sein Werk heute zur communis
opinio der Historiker geworden ist und obwohl seine Kritik an Bismarck
von prominenten Zeitgenossen des Reichsgründers, so auch dem
badischen Großherzogspaar, geteilt wurde74, auch wohl der Linie der DDP,
in jedem Fall aber dem Standpunkt Minister Hümmels entsprach, wurde
Kantorowicz von alldeutscher Seite und vor allem auch von den Studentenverbindungen
Vaterlandsverrat und Mangel an Patriotismus vorgeworfen
, wobei dann natürlich auch seine jüdische Herkunft ins Spiel gebracht
wurde. Zwar gelang es ihm, in einer Studentenversammlung am 24. November
1921, auf die auch Hummel in seiner Landtagsrede zu sprechen
kommt, sich so geschickt zu verteidigen, daß die als Protest gedachte Versammlung
sich für nicht befugt erklärte, die politische Meinung und private
Aktivität ihrer Lehrer zu zensieren75. Aber die juristische Fakultät und
der Senat der Universität machten aus ihrer Gegnerschaft zu Kantorowicz
keinen Hehl. Schlaglichtartig beleuchtet der Fall die Bedingungen, unter
denen die Minister der jungen Republik regieren mußten, mit welcher Ablehnung
oder wenigstens verweigernden Gleichgültigkeit des Bürgertums
sie zu rechnen hatten. Vor diesem Hintergrund ist auch die beschwörende

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