Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 448
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Warnung Hümmels in seiner Rede zu verstehen, man solle die Universität
nicht weiter als Hort antidemokratischer Gesinnung schmähen, um ihr die
Chance zu geben, den richtigen Weg zu finden, und desgleichen auch sein
fast überschwengliches Lob für die moderate Haltung der Studentenversammlung
vom 24. November, obwohl dem Kultusminister die wütenden
Leserbriefe vieler Studenten v. a. der juristischen und medizinischen Fakultät
alle vorgelegen hatten76. Die politische Brisanz der Sache war ihm
bewußt, auch wenn er noch nicht ahnen konnte, daß es weitere „Fälle" dieser
Art geben würde, in Freiburg den „Fall Marschall" von 1925 im Anschluß
an die Verhöhnung des Reichspräsidenten Ebert in der öffentlichen
Rede eines Freiburger Rechtslehrers77, in Heidelberg den noch berühmteren
„Fall Gumbel" von 1924, als dieser in einer Heldengedenkfeier für die
Kriegstoten die Grauen des Krieges beschwor und damit die nationalistischen
und antisemitischen Kräfte der Universität um den Physiker Lenard
auf den Plan rief78. Daß Hummel die innenpolitische Lage ähnlich wie
Kantorowicz beurteilte, zeigt das folgende handschriftlich dem Memoirenwerk
beigefügte Resume79: „Die Lehrzeit des deutschen Volkes seit der
Reichsgründung von 1871 war zu kurz, um den Anforderungen des überraschenden
Tempos gewachsen zu sein, welches die Entwicklung des Reichs
auf den wichtigsten Gebieten genommen hatte. ... Das zeigte sich scharf,
nachdem das Phänomen Bismarck seine Bahn vollendet hatte. Sein Verhalten
am Lebensende selbst bewies, daß auch er kein Vorbild als grand old
man hatte und war. Keiner der Stände und keine der politischen Gruppen
hatten die Zeit gewonnen, Ideologie und praktische Haltung einem gemeinsamen
Ziel anzupassen, das seinerseits nur nebelhaft und sphinxähnlich
in der Ferne lag. Die Linke stand selbst einem vernünftigen Maß
machtpolitischer Forderungen ohne besonderes Verständnis gegenüber, die
Rechte blieb, gestützt auf Preußen, stur und ohne Einsicht mit Bezug auf
constitutionelle Fortbildung. Die eigentliche Bourgeoisie trotz aufsteigenden
wirtschaftlichen Standards verharrte in altmodischer Befangenheit in
socialen Fragen und beflissener Untertänigkeit gegenüber dem Nimbus
monarchischen Glanzes. Die politisch durch den Socialismus aufgerüttelten
unteren Schichten konnten kein Verhältnis zum Reichs- und Staatsgedanken
gewinnen."

Als Hummel 1922 seine Tätigkeit in Baden und in der Karlsruher Regierung
beendete, um in den Vorstand der BASF in Ludwigshafen einzutreten,
haben damals nur wenige erkannt, daß er damit eine Aufgabe übernahm,
die ihm mehr Möglichkeiten politischen Wirkens bot als die Leitung eines
badischen Ministeriums. Zu sehr war man noch der Vorstellung verhaftet,
Politik sei das in den Ministerien und Kanzleien geführte diplomatische
Geschäft, und wenige haben die maßgebliche Rolle der Großindustrie im
Rahmen der politischen Entscheidungsabläufe so begriffen, wie sie heute

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