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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 309
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tern, den Vikaren, wenig ab. Man muß es leider feststellen: Eine seelsorgliche
Betreuung seitens dieser einfachen Priester, die gegen festes Salär an
verschiedenen Altären lediglich die Messe lasen - daher Altaristen - fand
nicht mehr statt. Über Gespräche und Predigten Seelsorge zu betreiben,
hatten sie nicht gelernt.

Und so handelte anno 1484 Offenburg einer freien Reichsstadt gemäß. Die
Kinzigstadt richtete auf eigene Kosten eine Prädikatur ein, d. h. sie stellte
Wohnraum zur Verfügung und kam für den Unterhalt eines Predigers auf;
der sollte sich ganz seiner wichtigen Aufgabe widmen." Bemerkenswert
ist, daß hier nicht die Amtskirche, sondern das gläubige Volk Abhilfe
schaffte. Das war ein typisches, aus dem Zeitgeist heraus erwachsenes Verhalten
freier Städte.

Reichsstädte könnte man als Kinderstuben unserer modernen Demokratie
bezeichnen. Ohne den Bürgersinn auf diesen „Landkarteninseln von relativer
Freiheit" hätten sich die Modelle für flächendeckende demokratische
Organisationsformen nicht entwickeln können. Die Streitkultur der opponierenden
Interessenvertreter (Zünfte, Rat, Bürger) war zwar noch nicht
sublimiert; das mußte sich erst über Jahrhunderte entwickeln. Dennoch:
Auch Offenburger Bürgersinn - in der Zeit des Humanismus und der Reformation
und Gegenreformation - hat dazu beigetragen, daß frühdemokratische
Versuche vorankamen.

Offenburger Stadtvertreter besaßen die Freiheit, die Reichspolitik aus der
Nähe zu verfolgen. Man kann es z. B. im Protokoll des deutschen Reichstags
anno 1521 in Worms bestätigt finden. Aufgeführt wird ein Johan Gu-
stenhoffer, Ratsschreiber von Offenburg, der „mit bevelch von Gengenbach
und Zell", anwesend war.12

Dieser Johan Gustenhoffer hatte „life" den fast verzweifelt klingenden Aufruf
von Martin Luther vernommen, der mit dem bezeugten: „Gott helfe mir,
Amen!" endete. Daß Gustenhoffers Bericht ein reformatorisches Umdenken
in Offenburg förderte, liegt auf der Hand. Sein Eintreten für eine Erneuerung
hatte bestimmt eine größere Wirkung als das von Klerikalen. Hier hatte ein
Bürger, ungefiltert durch ständische Zensur, von Umwälzbewegungen im
Reich berichten können. Offenburg hatte eben seinen kurzen Draht, gehörte
zu den „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen".

Bei aller Reichsstadtherrlichkeit: die Protokolle weisen bezüglich Offenburg
Lücken auf. Erst 1524 macht der besagte Stadtschreiber wieder eine
Dienstreise in Sachen Reich: Reichssachen werden in dem Jahr in Nürnberg
verhandelt. Gengenbach und Zell schicken eigene Leute.

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