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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 370
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Susanne Hain, die während der Zeugenbefragung auf Schloß Ortenberg im
Gefängnis saß, „entschuldigte" sich, d. h. sie wies alle Anschuldigungen
zurück, trotz gütlichem Zuspruch und peinlicher Folter, und behauptete, es
geschehe ihr Unrecht. Auf der anderen Seite beharrte Jacob Sauer darauf,
daß sie ihm den Schaden zugefügt habe, und verlangt von der Obrigkeit
die ihm gebührende Genugtuung, und wenn er die nicht bekäme, wolle er
sie sich bei der Beklagten selber holen35.

Was bei diesen und anderen Berichten auffällt, ist die Bereitschaft der
Behörde, das, was von anderen über eine Angeklagte gedacht und gesprochen
wird, zum Indiz aufzuwerten.

Der Gerichtszwölfer Martin Cranz gibt bei seinem Eide an, daß die Witwe
des Hans Ruen aus Appenweier der Hexerei halber in bösem Verdacht gestanden
sei, solange sie hier gewohnt habe36. Hans Jacob Sax, der Zoller
aus Urloffen, sagt über Frau Halm, man verdächtige sie stark des Hexenwerkes
, und sie habe den gemeinen Ruf, eine Hauptmännin unter den Hexen
zu sein. Die Frau des Philipp Rempiß sei, so Sax, bei Inländischen und
Ausländischen heftig verschrieen, und die Frau des Martin Ramshurster
gelte für eine öfffentliche Unholde; sowohl in Urloffen als in den meisten
Nachbarorten deute man gleichsam mit den Fingern auf sie37. Merkwürdig
erscheint, daß die Ehemänner der beiden zuletzt genannten Frauen trotz
der Gerüchte ähnliches Geschwätz über andere Menschen verbreiten. So
urteilt Philipp Rempiß über Eva Rohr, sie würde, „solange es ihm denkt",
für eine öffentliche Hexe gehalten38, und Martin Ramshurster soll „bei einer
öffentlichen Zech", als einige Wächter in die „Stube", das Wirtshaus,
traten, dem Bäcker Lorenz Eckart zugerufen haben: „Hatto, man werde
Hexenmeister fangen, Becken Lenz, hab acht!"39 Erst recht verdächtig
machten sich jene, wir haben oben schon darauf hingewiesen, die sich gegen
solche öffentlichen Bezichtigungen nicht wehrten, so die Frau Rempiß
, die verschiedene Male eine Hexe gescholten wurde, aber niemals dagegen
klagte40, oder Hans Bleich, der „einen gar starken Ruf habe" und
„öffentlich gescholten werde, aber sich am wenigsten verantworte"41.

Gerüchten, Leumund, Ruf, öffentlichen Verdächtigungen liegen Gruppenvorstellungen
zugrunde. Sie entwickeln sich über einen längeren Zeitraum
und besitzen tiefe Wurzeln. Man wird nach den dargestellten Klageschriften
und Protokollen der Zeugenbefragungen erkennen müssen, in welch
hohem Maße die Nachbarn der Opfer die Prozesse einleiteten und vorbereiteten
. Inwieweit unsere Vorfahren durch Seelsorge, populäre Literatur
und Flugblätter über Hexen oder die endgültigen Prozeßniederschriften,
die öffentlich laut verlesen wurden, beeinflußt waren, läßt sich hier nicht
erörtern. Die geistige Oberschicht, Pfarrer und sehr korrekte Beamte,

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