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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 424
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konnte. Es galt zunächst der Grundsatz, wonach jede Gemeinde verpflichtet
war, ihre Ortsarmen zu erhalten und zu versorgen. Ein armen-
pflegerischer Unterstützungsanspruch12 hing von der besonderen Verleihung
des Einwohner- bzw. Heimatrechts durch die Gemeinde ab. Letztere
besaßen bereits weitgehende Rechte bei der Aufenthaltsgestattung, Wohnsitznahme
und Verehelichung. In Süddeutschland hielt man bis weit ins
19. Jahrhundert hinein an diesem Prinzip fest.

Der sozialpolitische und gesetzliche Rahmen

In Baden waren „Pflicht und Recht zur Armenfürsorge" im 19. Jahrhundert
an das Gemeindebürgerrecht geknüpft. Bis zur Gründung des Norddeutschen
Bundes entbehrte das Großherzogtum einer Gesetzgebung, welche
die Materie der Armenversorgung regelte. Die Lage der Unterschichten
kennzeichnete eine rechtliche Ungleichheit13. Sie betraf zunächst das Bürger
- und Heimatrecht. Es legte die individuellen Freiräume fest, in ihm
wurden nicht nur die Bedingungen und Konsequenzen des Zug- und Niederlassungsrechts
fixiert und der öffentlich-rechtliche und privatrechtliche
Handlungsspielraum von Einzelpersonen und sozialen Gruppen im wesentlichen
bestimmt. „Hingen doch u. a. aktives und passives Wahlrecht, das
Recht zur Gewerbeausübung, Grundstücke und Gebäude am Wohnort zu
besitzen, eine Ehe einzugehen oder im Notfall Armenunterstützung zu
empfangen von der Position ab, die der einzelne innerhalb der möglichen
rechtlichen Beziehungen zu seiner Wohngemeinde innehatte."14

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wollte ein Paar heiraten, so verlangte das
Gesetz von Braut und Bräutigam neben einem guten Leumund, das Bürgerrecht
und einen ausreichend gesicherten Nahrungsstand. Eine Zukunftschance
besaß das Paar nur, wenn es das nötige Geld und Auskommen bereitstellen
konnte. Wie in den meisten anderen deutschen Staaten bestand
eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Rechtsanspruch auf Versorgung
im Armutsfall und dem Besitz des Bürgerrechts. Erst in den späten
1860er Jahren verlor diese Regelung ihre Gültigkeit. Wer vor diesem Zeitpunkt
kein Bürgerrecht besaß, durfte auf keine Armenunterstützung rechnen
. Der Erwerb des Bürgerrechts setzte die Volljährigkeit, Geschäftsfähigkeit
und ein gutes Leumundszeugnis voraus. Letzteres legte der
Gemeinderat fest. „Wohlverhalten", „Unbescholtenheit" und ein „guter,
sittlicher Ruf sollten einen guten Leumund auszeichnen. Mit dieser
gesetzlichen Bestimmung gingen die Gemeinden recht willkürlich um. Sie
orientierten sich weniger an Rechtsnormen als an eigenen wirtschaftlichen
und politischen Interessen: Wer Geld besaß, bekam erheblich leichter das
Bürgerrecht als ein Mittelloser.

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