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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 480
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Gleichzeitig war auch ein badischer Pionieroberleutnant namens Kirchgeß-
ner dort stationiert, dem der Bau der eben erwähnten beiden Brückenforts
übertragen war8. Ich lernte ihn kennen und wir befreundeten uns, da es uns
sehr an anderweitigem Umgang mit Gleichgestellten gebrach. Die übrigen
Zollbeamten, mit Ausnahme der oberen Beamten, waren nicht akademisch
gebildete Beamte, mit denen ich zwar ganz freundlich, aber nicht freundschaftlich
verkehrte. Auch Familienverkehr gab es nicht, mit Ausnahme
der mit drei jungen und recht hübschen, noch ledigen Töchtern gesegneten
Familie des in Kehl als Stationskontrolleur bestellten preußischen Steuerrates
Katsch, der in seinen Musestunden schriftstellerisch tätig war und
später im Pensionsstande hochbetagt in Oppenau lebte und daselbst verstarb
. Kirchgeßner hatte noch weniger Anschluß und war überhaupt, trotz
seines liebenswürdigen Wesens, eine etwas einsiedlerische Natur, der das
Leben etwas schwer nahm. Als wir vertrauter geworden waren, teilte er
mir unter dem Sigel der Verschwiegenheit, die ich auch treu bewahrte, mit,
daß er seine freie Zeit während seiner etwa 2jährigen Stationierung in Kehl
dazu benutzt habe, einen ganz genauen Plan der Festung Straßburg in
großem Maßstabe auszuarbeiten. In Zivilkleidung sei er häufigst nach
Straßburg gegangen und habe nach und nach alle Wälle, Bastionen, Lünet-
ten, Gräben, Brücken etc. teils durch Abschreiten, teils nach dem Augenmaß
abgemessen und, nach Kehl heimgekehrt, nach und nach stückweise
in seinen Plan eingetragen und diesen durch stetes Nachmessen und Vergleichen
vervollkommnet. Auch das sehr coupierte Terrain um die Festung
herum habe er genau aufgenommen. Er zeigte mir den Plan. Er machte in
der Tat einen vorzüglichen Eindruck. Kirchgeßner bemerkte, daß er von
dem Gedanken erfüllt sei, über kurz oder lang müsse doch einmal die Zeit
kommen, wo das geeinigte Deutschland mit den Waffen in der Hand Straßburg
und das deutsche Elsaß zurückfordern und zurückerobern werde. Dieser
Gedanke hatte damals (1862) allerdings sehr wenig Aussicht auf Verwirklichung
. Denn gerade damals stand Frankreich und sein Herrscher
nach dem glücklichen 1859er Kriege gegen Österreich im Zenit seines
Ruhmes, Deutschland aber von einer Einigung entfernter denn je. Und
doch sollte Kirchgeßners Traum in Erfüllung gehen. Die Einigung der
deutschen Stämme wurde zur Wahrheit. Straßburg wurde belagert und erobert
und Elsaß dem deutschen Reiche einverleibt. Die Belagerung Straß-
burgs erlebte der inzwischen zum Hauptmann Avancierte noch und hatte
die Genugtuung, daß sein im Jahr 1862 gefertigter Plan bei der Belagerung
vorzüglichste Dienste leistete. Aber die Übergabe der Feste mitzuerleben
war ihm nicht vergönnt. Wenige Tage vor der Kapitulation ereilte ihn in
den Laufgräben eine französische Wallkugel und setzte dem Leben dieses
tüchtigen Offiziers ein Ende. Wenige Tage zuvor hatte er noch seiner
Schwester, Frau Ministerialrat Gerwig in Karlsruhe, einen Brief voller Todesahnung
und schwerer Melancholie geschrieben. Die Verwirklichung

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