Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 487
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trachten. Zahlreiche Sprengstiicke von Granaten sowie Wallbüchsenkugeln
lagen noch umher, die als Andenken gesammelt und als Briefbeschwerer
etc. mit der Aufschrift „Souvenir de Strasbourg" verarbeitet wurden.

Die Bevölkerung zeigte durchweg ernste, gedrückte Mienen, die sich häufig
geradezu zu einem apathischen Ausdruck steigerten und den unverkennbaren
Stempel überstandener Leiden und Entbehrungen trugen. Die
Leiden der Einwohner während der Belagerung waren in der Tat groß gewesen
: Mangel an Nahrungsmitteln, namentlich an Milch und Fleisch
(Pferdefleisch ausgenommen, sowie Hundebraten) machte sich sehr bald
empfindlich geltend. Der Mangel an Milch hatte eine große Sterblichkeit
der kleinen Kinder zur Folge; lange Reihen von Kindergräbern auf den
Friedhöfen gaben davon Zeugnis. Die Bewohner der zerstörten Stadtteile
konnten nur ein äußerst mangelhaftes Unterkommen finden. Wegen der
einschlagenden Geschosse nächtigten die meisten Einwohner in den Kellern
und brachten vielfach auch den Tag darin zu, so namentlich in der ersten
Zeit der Beschießung. Später gewöhnte man sich einigermaßen an die
Gefahr und wurde gleichgültiger, vielfach fast stumpfsinnig, vielfach aber
auch mutig und energisch. So kann das mutige Verhalten der bürgerlichen
Feuerwehr (sappeur-pompiers), die im Innern der Stadt bei jedem Brande,
trotz der einschlagenden Granaten, sofort zur Stelle war und das Weitergreifen
des Feuers unterdrückte, nicht genug gelobt werden. Manche dieser
Braven büßten ihren Mut mit Tod oder Verstümmelung. Auch von der
übrigen Zivilbevölkerung fiel gar mancher den Geschossen der Belagerer
zum Opfer, und noch lange Zeit nachher bot die große Zahl von Krüppeln,
die man in Straßburg erblickte, namentlich auch von Kindern mit nur einem
Bein oder nur einem Arm, einen schmerzlichen und ernsten Anblick
dar, und man kann es verstehen, daß ein großer Teil der Einwohnerschaft
noch bis zur heutigen Stunde an die Belagerung mit Erbitterung und feindseligen
Gefühlen gegen die Eroberer denkt.

Auch in Kehl hatte der Geschützeshagel, der sich französischerseits über
diese im Schußbereich der Feste Straßburg und namentlich deren Zitadelle
gelegenen Stadt ergossen hatte, gewaltige Spuren hinterlassen. Etwa die
Hälfte des im wesentlichen nur eine breite Straße bildenden Ortes war
vollständig zerstört. Doch machten sich hier die Schrecknisse des Bombardements
weniger fühlbar, da den Einwohnern die Flucht in das badische
Hinterland (Appenweier, Kork, Offenburg etc.) offen stand und sie fast
durchweg ihre Habseligkeiten rechtzeitig retten konnten, so daß nur die
Gebäude zum Opfer fielen.

Mit sehr gemischten Gefühlen kehrte ich vom Schauplatze so yielen Elendes
heim: Das stolze Gefühl der Freude über das wiedergewonnene Straßburg
ward durch die erschütternden Eindrücke erheblich beeinträchtigt.

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