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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 498
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„'Hefe' des Haslacher Volkes",22 die im verlassenen Kapuzinerkloster angesiedelt
war; dazu gehörten auch noch der durchziehende Schweinehändler
und „jeder Orgelspieler und Jahrmarkts-Comödiant, Feuerfresser,
Schlangenbändiger, Zauberkünstler etc.".23 Kurzum, es waren „Menschen
inferiorster Art, ja vielleicht zweideutigen Charakters",24 denen Hansjakobs
Zuneigung, ja seine ganze Liebe galt. (Selbst in Freiburg, wo er vorübergehend
zur Schule ging, zogen ihn vor allem der Türmer und der
Schinder an; sie gehörten ursprünglich zu den unehrlichen, d. h. gesellschaftlich
geächteten und entrechteten Leuten.25)

Dem frühen Zug nach unten, den auch Hansjakob historische Schriften
nicht verleugnen können, entspricht eine ebenso starke Anziehung durch
die Überlieferungen, die dort unten noch eben zu finden waren: die mündlichen
. Ihnen begegnete er bei der alten, an frommen Geschichten reichen
'Lenebas'; bei den Haslacher Handwerkern; beim städtischen 'Gänse-
jockele', um den sich, während er hütete, die Kinder scharten „wie die
Türken um einen Erzähler im Kaffeehause",26 und der im Kreise seiner
Zuhörer dann etwa die lokalen Sagen vortrug. Und erneut begegnete ihm
dieselbe Tradition, wenn sich an langen Winterabenden bei der Großmutter
die alten Frauen zum Spinnen trafen und dabei auch Gespenstergeschichten
zu Gehör brachten, oder wenn sich an langen Sommerabenden auf der
Bank vor dem Haus der Großmutter deren Nachbarn niederließen, „lauter
betagte Leute. Da ward dann erzählt von der bösen und guten alten Zeit,
von längst verstorbenen Freunden und Verwandten. Und an dem Schooß
der Großmutter stehend, lauschte ich den greisen Erzählern und Erzählerinnen
, und ich hätte die ganze Nacht 'zuhorchen' können, so schön und
gescheidt kam mir das vor, was diese alten Menschen unter sich erzählten
."27 Später, in Rastatt, in der sogenannten Studentenkaserne am Leopoldsplatz
, schloß Hansjakob sich dem Knecht Alois an, der ihm „'schöne
Geschichten' aus seiner Heimath"28 erzählte. In Otigheim, auf einer seiner
berüchtigten Bierreisen, hielt er sich an einen alten Bauern, der ihm „von
seinen Kindserlebnissen aus der Franzosenzeit erzählte".29 Und noch in
Freiburg suchte er gern den alten Bibliotheksdiener Wagner auf, der die
Zeugnisse ausgab - „weil der Alte immer etwas zu erzählen wußte von
vergangenen Zeiten".30

Der autobiographische Stoff mußte sich einmal erschöpfen; das eigene Erleben
hielt mit dem Erzählen nicht mehr Schritt, fiel zurück. (Eine fatale
Lage für einen Schriftsteller, der, nach seinem eigenen Eingeständnis, nur
„Ichbücher"31 schreiben konnte.) Um so deutlicher traten in dem, was er
schrieb, wieder die frühesten Züge hervor: die Sympathie für die unteren
Schichten und das Interesse an den dort erlebten, dort von Mund zu Mund
fortlebenden Geschichten.

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