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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 322
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Vorhaben und wiederholte sein Auswanderungsgesuch. Ludwig meinte dagegen:
„Ich bin in Nordamerika sehr bekannt und weiß, was ich dort zu hoffen und hier
zu verlieren habe und gebe auf diesem Wege meinem neuen Vaterlande den Vorzug
."

Ähnlich äußerte sich der Landwirt Friedrich Timeus (1842/995). Er war schon drei
Jahre in Amerika und erwiderte dem abratenden Beamten: „(Da ich) mich an die
Sitten der Nordamerikaner schon gewöhnt, die englische Sprache spreche und voll
Vertrauen bin, mein Schicksal in Amerika zu verbessern". Ein Besucher aus Amerika
berichtete über Carl Fr. Zimpfer (1873/1005): „Ich war einige Stunden bei
C.F. Zimpfer in seiner Wirtschaft in New York (9. Avenue 485) und habe einige
Glas Wein bei ihm getrunken, wobei er sagte, daß dieses Geschäft ihm gehöre,
was Jacob Vix und Ludwig Weeger bestätigen können."

Die Auswanderung als soziales Ventil

In seiner positiven Haltung gegenüber den Auswanderern machte der Gemeinderat
in fünf Fällen auch Gebrauch von der Gemeindekasse. So gewährte
er dem F. Vix (1854/996) zu den Reisekosten einen Zuschuß von
20 Gulden, den Schwestern Rohr (1853/1012) einen solchen von 30 Gulden
. Die ganze Überfahrt bezahlte die Gemeinde der Witwe A. Kirschemann
(1847/958) und der Barbara Eisenstein (1859/934). Die Überfahrtkosten
einer Familie lagen zwischen 115 und 150 Gulden, je nach der Zahl
der Kinder. Die Leistungen aus der Gemeindekasse waren keine reine
Liebestätigkeit, denn nach der Gesetzeslage war für eine in Not geratene
Person die Heimatgemeinde zur Unterstützung verpflichtet. Da war in
vielen Fällen die Auswanderung noch die billigste Nothilfe. So erhielt die
B. Eisenstein allein für ihr Kind 40 Gulden im Jahr aus der Gemeindekasse
. Im Auswanderungsgesuch der Witwe A. Kirschemann bemerkt
der Ratschreiber: „Die Gemeinde kann nur gewinnen, wenn sie auswandert
."

Als die Auswanderung 1852-1854 ihren Höhepunkt erreichte, benutzte die
Gemeinde Lichtenau die günstige Stimmung und „bewog" vier Familien
mit zusammen acht Erwachsenen und 34 Kindern auszuwandern
(1854/1011), „welche durch Gemeindemittel nach Amerika expediert werden
sollen". Für den Staat war mittlerweile nicht mehr jeder Untertan ein
Plus im Wirtschaftsgetriebe. So unterstützte er diese „Abschiebung", indem
er zwei Söhnen der Familie Marz das Mitfahren ermöglichte: Der eine
wurde von der Conscription befreit, der andere vorzeitig aus dem Gefängnis
entlassen. Ob die „Gratis-Reisenden" der Gemeinde dankbar waren, ist
nicht bekannt. Für das, was ihnen in den Schoß fiel, kratzten viele andere
ihre letzten Gulden zusammen. Nur entsprang ihre Auswanderung nicht

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