Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 670
(PDF, 147 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0670
Anbau von Mais und Kartoffeln, Stallviehhaltung
, Fruchtwechsel, bessere Bewässerung
nach der Renchkorrektion,
Obstbäume auf Allmendflächen und Ausweitung
des Weinbaus waren schwerwiegende
Neuerungen. Am Beispiel der
Schneiderzunft macht H.G. Huber die
Stellung des Handwerks klar. Auch in den
napoleonischen Kriegen blieb Nußbach
nicht verschont. Plünderungen, „so daß
die Bewohner das meiste von ihren Habseligkeiten
verloren", erzwungene Dienstleistungen
und die Last der Einquartierungen
waren zu beklagen. Kein Wunder, daß
die Gemeindefinanzen letztendlich völlig
zerrüttet waren. Nußbacher zogen im badischen
Aufgebot des Rheinbunds nach
Rußland, Russen gerieten beim Gegenzug
der Alliierten ins Renchtaldorf. Zu allem
hin mußte die Einverleibung der Ottenau
ins Großherzogtum Baden verkraftet werden
.

Probleme der Verarmung im dörflichen
Bereich, Ansätze sozialer Hilfe und Auswanderung
(meist nach Amerika) kennzeichneten
auch hier das Zeitalter der Restauration
. Noch einmal wehte um die
Jahrhundertmitte der Geist der Widersetzlichkeit
durch Nußbach: der Lindenwirt
wurde zum Wahlmann für die Paulskirchenparlamentarier
bestimmt, ein Lehrer
organisierte eine Bürgerwehr, preußische
Besatzer jagten später einen Fahnenflüchtigen
und „brachten den Nußbachern Ordnung
bei ..." - Der Häuserbestand der
Gemeinde (eine umfangreiche Liste), ihre
Verwaltung, die Angestellten und Aufgaben
bis hin zur Brandbekämpfung,
Wein- und Obstbau und das Schnapsbrennen
als Nebenerwerb werden anschließend
vorgeführt. Der deutsch-französische
Krieg schreckte das Renchtal erneut
auf, erlebte man den Beginn dieses
Waffengangs doch aus nächster Nähe.
Nach der Reichsgründung war man dann
auch in Nußbach stolz darauf, Deutscher
zu sein, feierte an den „Gedenktagen des
Vaterlands", verstand das Militär nun als
„Schule der Nation", und mancher erblickte
bereits in der Dorfschule ein Instrument
der Disziplinierung. Für die antiklerikale
Kulturpolitik des Reichs jedoch
hatte man kein Verständnis, man wählte
fortan mit großer Mehrheit die kath. Zentrumspartei
. Für sie zog der Nußbacher
Bürgermeister Joseph Engelhardt von
1919-1933 als geachteter Abgeordneter in
den Landtag.

Obwohl H.G. Huber in seinem Nachwort
eine eigene Beschreibung der Schicksale
seiner Heimat im 20. Jh. erwägt (wozu
man ihn ermuntern möchte), hat er doch
im Schlußteil - auf viele Zeitzeugen gestützt
- die bis hierher wichtigsten Vorkommnisse
sehr lebendig wiedergegeben.
Was das kleine badische Dorf im ersten
Weltkrieg, in der schwierigen Übergangsphase
zur Republik, was es während der
Inflation und der Weltwirtschaftskrise und
im Vorfeld der Machtergreifung Hitlers
erlebte, wird anekdotenreich nacherzählt.
Es gab Leute, die sich den Nazis anpaßten
und den „Führer" bejubelten, als er 1939
durch die Ortschaft fuhr, es gab aber auch
Mutige, die offen Widerstand leisteten
und dafür zu büßen hatten. - Einen wahren
Glücksfall für die Abfassung der
Dorfchronik stellten die leider nicht vollständig
erhaltenen Aufzeichnungen des
Hauptlehrers Artur Frank dar (für die Zeit
von 1936^18), die in Auszügen übernommen
wurden. In ihnen werden die Kriegsjahre
, der „Endkampf, bei dem eine Artilleriestellung
der Wehrmacht auf dem
Meisenbühl beinahe zur Vernichtung des
Dorfes geführt hätte, und die leidvolle Besatzung
der Siegermächte treffend festgehalten
. Es folgen die Grundzüge der „Bewältigung
der Kriegsfolgen bis zur Dorfentwicklung
" (Wiederaufbau, Gewerbean-
siedlung, moderne Infrastruktur, Vereinsleben
und Nachkriegsgeschichte der kath.
Kirchengemeinde). Kleine Einschübe
über Nußbacher Dorfläden, Gasthäuser
und Handwerksbetriebe sowie eine Würdigung
der Tausendjahrfeier runden diese
historische Rückschau ab.
Insgesamt also ein wertvolles, facettenrei-

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