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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 383
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diese Kämpfe stattfanden. August Kramer war nämlich keineswegs einfacher
Hutmachermeister, sondern, wie auch die Akten getreulich festhalten,
seit 6 Jahren Hutfabrikant, der mit mindestens zwölf Gesellen (deshalb des
öfteren schon Arbeiter genannt) arbeitete, zunehmend auch versucht, die
gelernten Gesellen durch verstärkten Einsatz billiger Lehrlinge zu ersetzen.

Und auch die Reaktionen auf den Druck der Gesellen zeigten die moderne
Seite des Konfliktes. „Anfangs mußte er (Kramer) sich wegen des Mangels
an Arbeitern den Zwang gefallen lassen. Als er nach und nach einige Arbeiter
von hier nachgezogen, ging er nicht mehr auf das gestellte Verlangen
ein, infolge dessen dann mehrere Arbeiter weggingen." Das heißt,
Kramer gelang es, an Lahr gebundene Arbeiter als potentielle Streikbrecher
einzustellen und so den Zusammenschluß seiner Gesellen zu unterlaufen
. Die zumindest noch teilweise an zünftlerischen Formen orientierten
Brüderschaften waren den modernen Produktionsformen, die ja auch mit
angelernten Kräften arbeiteten, nicht gewachsen. Eine zweite Reaktion besteht
in dem scharfen Eingreifen der Regierung. Erkannte Gesellen wurden
mit hohen Geldstrafen und Arrest bestraft. Zwei eine Anstellung suchende
Haarschneider etwa, die im Frühjahr 1858 Kramer noch einmal unter
Druck setzen wollten, wanderten dafür jeweils sieben Tage ins Gefängnis.

An dieser Stelle zeigt sich, daß das Bürgertum schon über überregionale
Handlungsmöglichkeiten verfügte, als die Arbeiter noch weitgehend in lokalen
Zusammenhängen gebunden waren.

Die letzte Reaktion, die von Bedeutung ist, weist dann schon beinahe in
das zwanzigste Jahrhundert. Am 21. Juni 1858 wurde in Lahr der katholische
Gesellenverein gegründet16. Zufall? Man muß keine Zusammenhänge
mit den Vorfällen bei Kramer behaupten, und dennoch die Gründung genau
in dieser Zeit als gezielte Maßnahme gegen die junge Arbeiterbewegung
(oder auslaufende Gesellenbewegung) betrachten zu können.

Seit den fünfziger Jahren, so kann man also festhalten, bewegen sich die
Versuche der Arbeiterbewegung, sich als selbständige Kraft zu konstituieren
, in einem komplexen Geflecht ideologischer und organisatorischer
Beeinflussung. Es wäre also viel zu simpel, einzelne Faktoren wie Grundbesitz
, Seßhaftigkeit oder Lebensstandard als Ursachen für den besonderen
Charakter der Lahrer Arbeiterbewegung anzuführen. Letztlich wurzelt der
Konflikt zwischen Arbeit und Kapital ja nicht in der Verelendung der Arbeiter
- was ihn nicht von älteren „Unterschichten" unterscheidet sondern
in dem besonderen Verhältnis des Arbeiters zum Fabrikherrn. Rechtlosigkeit
und „strukturelle Ungleichheit" zeichnen dieses Verhältnis aus.
Der Fabrikant „kauft" die Arbeitskraft und erhält damit volle Verfügungs-

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