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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 437
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Inmitten des Zentrums stand die Massenorganisation des „Volksvereins für
das katholische Deutschland", die ein Gegengewicht zu den sozialdemokratischen
Zusammenschlüssen bilden wollte. Der neue Mitstreiter wurde
mit der Gründung und Betreuung von christlichen Arbeiter- und Handwerkervereinen
im württembergischen Raum beauftragt und zum Arbeitersekretär
ernannt. Schon im Jahre 1895 hatte man dem Zwanzigjährigen die
Redaktion des Deutschen Volksblattes übertragen, der in Stuttgart erscheinenden
Zentrumszeitung. Unermüdlich reiste Erzberger von Veranstaltung
zu Veranstaltung, mit seinem schier unergründlichen Wissen verblüffte er
die Zuhörer, mit seiner schlagfertigen Redekunst schlug er die Gegenspieler
aus dem Felde. Durch seinen engagierten Einsatz für die Sache der kleinen
Leute schuf er sich eine feste Vertrauensbasis, auf die beim späteren
öffentlichen Wirken Verlaß war. Zur Jahrhundertwende entschloß sich der
junge Redakteur, eine Familie zu gründen - er heiratete die Kaufmannstochter
Paula Eberhart aus Rottenburg am Neckar. Aus der Ehe sollten die
Kinder Oskar, Maria und Gabriele hervorgehen2.

Abgeordneter

Bei der Reichstagswahl des Jahres 1903 wurde der 28jährige Erzberger
zum Abgeordneten des Wahlkreises Leutkirch-Waldsee-Wangen-Biber-
ach gewählt. Er beendete seine Tätigkeit in Stuttgart und zog nach Berlin,
um sich uneingeschränkt dem neugewonnenen Mandat widmen zu können.
In der Reichshauptstadt hat man ihn von oben herab angesehen, den Neuling
aus der Provinz, gar ohne akademische Bildung. Doch der brachte aus
seiner Zeit als Journalist und Arbeitersekretär Erfahrung mit aus dem parteigebundenen
Einsatz vor Ort. Und die wußte er rasch umzusetzen für die
Berliner Parlamentspraxis. In seinem heimatlichen Dialekt ging er den
politischen Gegner an, deckte ihn bei den Redeschlachten mit gewitzten
Argumenten ein. Der knitze Schwabe war ein politisches Naturtalent - als
„Schlitzohr" hat man ihn einmal von kundiger Seite apostrophiert3. Souverän
beherrschte der Abgeordnete Erzberger jede einschlägige Materie.
Der Diplomat und Chronist Graf Kessler erlebte späterhin eine Parlamentssitzung
mit, in der üble Anwürfe gegen Erzberger vorgebracht wurden.
Kessler sah den Angegriffenen zur Rednertribüne gehen, vermerkte die ungelenken
Bewegungen des klobigen Körpers mit den breiten, untersetzten
Bauernschultern, die schlecht sitzende Kleidung, die grammatischen Fehler
der dialektgefärbten Sprache. Doch dann geschah das Unerwartete:
„... allmählich wuchs aus dieser drolligen, schlecht sprechenden, ungeschickten
Gestalt die furchtbarste Anklage empor, die schlecht gemachten,
schlecht gesprochenen Sätze brachten Tatsache auf Tatsache, schlössen
sich zu Reihen und Bataillonen zusammen, fielen wie Kolbenschläge auf

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