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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 450
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offizier entschied hingegen, das Verfahren sei fortzuführen, allerdings dürfe
eine etwaige Todesstrafe nur mit Genehmigung der Besatzungsmacht vollstreckt
werden. Nun beantragte die Staatsanwaltschaft erst einmal Haftbefehl
, den das Amtsgericht Heidelberg unter dem 15. August 1945 erließ.
Am selben Tage wurde der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt und
vernommen. Tillessen hat die Mordtat eingeräumt. Gemeinsam mit Schulz
sei er nach Oppenau und nach Bad Griesbach gefahren, um Erzberger, in
dem er einen „Volksschädling" gesehen habe, zu töten. Am Tattage, als
Erzberger und Diez auf der Kniebisstraße umkehrten, hätte er mit Schulz
ebenfalls kehrtgemacht. Die vorausgehenden Männer seien dann stehengeblieben
. Nun sei er mit Schulz vorgesprungen, gleichzeitig hätten sie auf
Erzberger geschossen. Gleichwohl sei Erzberger behende den Abhang hinabgesprungen
, wohin Schulz ihm folgte, vermutlich um die tödlichen
Schüsse gegen den Kopf des Opfers abzugeben. Keinen Glauben verdient
Tillessens Behauptung, selbständig habe er gemeinsam mit Schulz den Tatentschluß
gefaßt, keineswegs seien sie durch Dritte angestiftet worden28.

Erst am 15. April 1946 konnte die Staatsanwaltschaft Offenburg das Verfahren
übernehmen. Säuberlich ist in den Ermittlungsakten vermerkt, daß
dies „im Einverständnis mit der französischen Militärregierung" geschehen
sei29. Zugleich wurde Tillessen in das Landgerichtsgefängnis Freiburg ver-
schubt. Unter dem 26. August 1946 reichte der Generalstaatsanwalt in
Freiburg die Anklageschrift bei der Strafkammer des Landgerichts Offenburg
ein, denn ein Schwurgericht war noch nicht gebildet. Nach Klärung
rechtlicher Vorfragen begann die Hauptverhandlung am 25. November
1946. Nach Schluß der Beweisaufnahme forderte der persönlich im Verfahren
auftretende Generalstaatsanwalt Bader die Todesstrafe wegen des
Mordes an Matthias Erzberger und eine vierjährige Zuchthausstrafe wegen
des Mordversuchs zum Nachteil von Carl Diez30. Der Verteidiger hingegen
beantragte Verfahrenseinstellung, da die Tat amnestiert worden sei. Dieser
Rechtsauffassung schloß sich das Gericht an: Mit Urteil vom 29. November
1946 wurde das Verfahren eingestellt unter Hinweis auf die Verordnung
des Reichspräsidenten vom 21. März 1933 über die Gewährung von
Straffreiheit31. Diese Entscheidung rief sofort die Besatzungsmacht auf den
Plan. Die Militärregierung verkündete, der Vorsitzende Richter werde seines
Postens enthoben, gegen weitere beteiligte Amtsträger werde eine Untersuchung
eingeleitet. Der Chef der deutschen Justiz in der französischen
Zone, Paul Zürcher, protestierte gegen diese Maßregelung der Richterbank
und legte demonstrativ sein Amt nieder32. Dabei stellte er klar, daß er die
Entscheidung des Offenburger Gerichts aus Rechtsgründen durchaus für
verfehlt halte. Rasch wurde das umstrittene Urteil korrigiert. Das französische
Tribunal General in Rastatt zog das Verfahren an sich, da es gemäß
Gesetz Nr. 2 der Militärregierung befugt war, sämtliche von deutschen Ge-

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