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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 641
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An der ersten Nachkriegsgeldbeutelwäsche 1948 beteiligten sich 8 Wäscher80
. 1953 erweiterten die Wäscher ihren Brauch nach dem Stockfischessen
durch einen Gang auf das Rathaus, um den von den Narren entthronten
Bürgermeister wieder in sein Amt einzuführen. Dabei werden auch
verdiente Wäscher durch das zur Fasnet 1954 von der Stadt gestiftete
„Großkreuz der Armut am schwarzen Bande" für die Pflege althergebrachter
Narrenbräuche, insbesondere der Geldbeutelwäsche, aus der Hand des
Bürgermeisters ausgezeichnet. In den 50er Jahren gingen die Wäscher vor
dem Stockfischessen zunächst zum damaligen Narrenvater Erwin Haas,
um ihm das Beileid über die dahingeschiedene Fasnet auszudrücken. (Haas
wurde im Januar 1959, aus Anlaß seines 30. Dienstjubiläums und seines
Rücktrittes als Narrenvater, auf Lebenszeit zum ersten und bislang einzigen
Präsidenten der Freien Narrenzunft Wolfach ernannt.)

Zu ihrem 40. Jubiläum 1964 zogen die Wäscher schon am Schmutzige
Dunnschdig, allerdings mit lachenden Gesichtern, zum Stadtbrunnen, begleitet
von der Narrenkapelle und zwei „Ehrenjungfrauen" in Gestalt von
Rungunkeln, während die Salutkanone pausenlos bollerte. Dabei wurde
feierlich das Wäschergäßle neben dem Rathaus eingeweiht, das zuvor
Schulstraße hieß und durch das die Wäscher ihren Gang zur Klagemauer
und zum Stadtbrunnen beginnen. 10 Jahre später fand zum 50. Jubiläum
nach der Wäsche ein kleiner Festakt statt. Der Südwestfunk brachte abends
in der Landesschau im Fernsehen einen kurzen Bericht über den Brauch.

Mit dem Erlös von 7650 DM des für diesen Zweck am 6. und 7. August
1983 von der Wäscher-Gilde veranstalteten Stadtbrunnenfestes konnte die
nach dem Fest beginnende und bis Oktober dauernde Renovierung der
Nepomuk-Statue auf dem Stadtbrunnen komplett finanziert werden81.
Beim Fest wurden u.a. lederne Geldbeutel verkauft, die von der „Lebenshilfe
Haslach" gefertigt wurden.

Den ursprünglichen Sinn der Geldbeutelwäsche versuchte der Volkskundler
Dietz-Rüdiger Moser zu ergründen, der das gesamte Fasnachtsbrauchtum
als eine von der katholischen Kirche inszenierte „Gegenwelt" im Sinne
des Zwei-Staaten-Modells des heiligen Augustins interpretiert, die den
Christen die Entscheidung für die „Gotteswelt" und das Christentum erleichtern
soll82. Moser vertritt die These, daß es sich bei der Geldbeutelwäsche
um eine Bildgebärde franziskanischer Herkunft handelt, denn in „der
,regula non bullata' nennt Franziskus denjenigen, der an weltlichen Dingen
hängt und nicht aufrichtig Buße tut, ,den der den Geldbeutel trägt' - nämlich
Judas, der Christus verriet"83. Der Geldbeutel steht für die Natur, das
Vergängliche als negatives Gegenbild zur nach katholischer Ansicht erstrebenswerten
„Übernatur"; es handelt sich bei der Geldbeutelwäsche nach

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